Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
dienten.
    Eine Sekunde später hörte Leonards Herz beinahe auf zu schlagen. In weiter Ferne sah er etwas, das wie eine riesige Mauer aussah, die am Bergrücken entlang verlief. Die kleinen buckelartigen Erhöhungen in regelmäßigen Abständen schienen Geschütztürme zu sein. Leonard sah seine Tochter an. Sie schien von dem Anblick gefangen genommen zu sein, also sagte er nichts.
    Er fand die Ausfahrt inmitten der Stadt. Die Tankstelle der Regierung befand sich einen Block weiter. Zusätzlich zu den VMIS–Mitarbeitern, marschierten bewaffnete Soldaten durch die Straßen und beobachteten die Bürger genau. Leonard fuhr seinen Wagen zu der nächsten freien Zapfsäule. Der DTS–Wärter führte eine ähnliche Routine durch wie der besserwisserische Bursche am Westtor. Er maß das übrig gebliebene Benzin des Toyotas ab, kassierte einen eine–Gallone –Coupon ein und füllte Benzin in den Tank.
    Während sie warteten, zeigte Natalia auf ein grünes Hinweisschild an einer Plakattafel. Anhand dauerhafter Beschriftung und digitaler Zahlen wurden die Besucher über ihre eingeschränkten Reiserechte informiert.
    Bürger müssen eine Stunde vor Sonnenuntergang abreisen. Heute beginnt der Sonnenuntergang um 19:09.
    Leonard sah auf seine Uhr. Es war schon fast siebzehn Uhr.
    Der VMIS–Wärter erschien neben Leonards Fenster. „Ich habe Ihnen knapp einen halben Liter mehr gegeben, damit sie noch etwas durch die Stadt fahren können.“
    Überrascht entgegnete Leonard ein begeistertes Dankeschön . Einen Augenblick später wurde ihm klar, wie lächerlich es eigentlich war, dass ihm ein halber Liter extra Benzin wie eine unheimlich großzügige Geste vorkam.
    „Kein Problem“, antwortete der Wächter. „Fahren Sie weiter.“
    Sie fuhren vom Tankstellengelände hinunter und parkten kurz in der Nähe.
    „Die Auffahrt zurück zur Autobahn war nicht verbarrikadiert“, sagte Leonard. „Ich glaube, es gibt noch eine weitere Ausfahrt etwas weiter Richtung Westen. Wir müssen schauen, wie weit wir kommen.“
    Natalia nickte.
    Leonard fuhr zurück auf die Autobahn Richtung Westen. Als sie sich dem Stadtrand näherten, wusste Leonard, dass es sich nicht mehr leugnen ließ.
    In der Ferne zeichnete sich eine riesige Mauer aus Betonklötzen ab und ließ das Westtor unbedeutend erscheinen. Gekrönt mit einer Unmenge an Stacheldraht schien der Schutzwall undurchdringlich. In Abständen von vielleicht neunzig Metern waren Wachtürme positioniert. Diese sahen anders aus als die dunklen, geschlossenen Türme des Westtors; es waren vielmehr quadratische Aussichtsplattformen mit bescheidener Überdachung, falls es schlechtes Wetter geben sollte. Im Norden war der Wall größtenteils klar erkennbar und verlief entlang des Bergrückens, wo er schließlich aus dem Blickfeld verschwand. Er überquerte die I–70 und setzte sich vermutlich im Süden hinter dem nächstgelegenen Felshügel fort. Am höchsten erkennbaren Punkt der Nordseite ragte der größte Wachturm über der Landschaft auf und verlieh der einst bezaubernden Goldgräberstadt eine bedrückende, gefängnisartige Atmosphäre.

Kapitel Neunundzwanzig

     
    Die einschüchternde Betonmauer schien beträchtlich zu wachsen, als sie sich dem Tor näherten. Es war eine mindestens viereinhalb Meter hohe Stahltür, die breit genug war, um zwei der Autobahnspuren Richtung Westen einzunehmen.
    Eine stämmige Wächterin mit einem bewaffneten, schussbereiten Mann an jeder Seite ging auf Leonards Fahrzeug zu, während er sich langsam dem Tor näherte. Dies waren keine Mitarbeiter des Verkehrsministeriums und Instituts für Sicherheit. Definitiv Militärpersonal. Leonard sah zu Natalia rüber, während er das Fenster hinunterließ. Sie hielt die Ausweise und ihre grüne Reiseerlaubnis mit einem entschlossenen Ausdruck im Gesicht zwischen den Fingern.
    Zeit, die Sache in die Hand zu nehmen, Leonard. Du bist ein VIP. Diese Wächter sind im Vergleich zum angesehenen Dr. Robert H. Cook völlig bedeutungslos, sagte er sich, obwohl er leichte Zweifel hatte.
    „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte die Frau bestimmt. „Nur autorisiertem Personal ist der Zugang zu diesem Bereich gestattet.“
    Leonard nahm ganz beiläufig die Ausweise und die Reiseerlaubnis aus Natalias zierlichen Händen, reichte alles der Wächterin und setzte einen arrogant gelangweilten Ausdruck auf.
    Die Wächterin überprüfte die Ausweise gründlich.
    „Könnten Sie aus dem Wagen steigen, Dr. Cook?“
    „Warum?“
    „Ich muss mit

Weitere Kostenlose Bücher