Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
jetzt gleich kaufen?“ Oder wie wäre es mit einer ganzen Gallone, verdammt nochmal?
Der junge Mann starrte Leonard an. Er murmelte etwas in sich hinein, was sich ziemlich nach Inzuchtler anhörte. Dennoch bewahrte er einen höflichen Ton. „So sind nun mal die Regeln an der Grenze, Mr.… äh…“ Er sah auf seinen Computer runter. „Cook.“
„ Dr. Cook“, fuhr ihn Leonard an. „Das ist lächerlich. Wie soll ich wieder zurück nach Hause kommen?“
„Onkel.“ Natalia wedelte mit drei identischen blauen Coupons in der Luft herum. „Schon in Ordnung. Mom hat an alles gedacht.“
Mom.
Während er sich durch einen Nebel des Zorns kämpfte, wurde Leonard plötzlich bewusst, dass er ihre Flucht gefährdete. Seine impulsive Stimmung könnte alles zerstören, was Alina so sorgfältig geplant hatte. Er drehte seinen Kopf zu Natalia und bekam seine Gefühle langsam wieder in den Griff. „Richtig… äh…“ Was war noch mal Alinas Deckname? „Heather war schon immer die Organisiertere von uns.“
Der VMIS–Mitarbeiter verschränkte die Arme. „Also werden Sie fahren?“
„Ja“, antwortete Leonard heiter und schlug dabei eine fast etwas zu fröhliche Richtung ein. „Sieht so aus, als wenn wir genügend Rationen haben. Wir werden in Idaho Springs noch einen Coupon brauchen, nehme ich mal an?“
„Ja.“
„Und wir können hier auch wieder Benzin kaufen, wenn wir zurückkommen?“
„Ja.“
„Nun dann, machen Sie voll.“
Der junge Mann hielt kurz inne und gab einen übertrieben lauten Seufzer von sich, bevor er schließlich auf dem Absatz kehrtmachte und einen kleinen Benzinkanister mit einer digitalen Messtafel an der Seite holte. Er gab ein paar Nummern ein. Wahrscheinlich null–komma–fünf–sieben . Es dauerte einen Moment, bis der junge Mann den Tank mit der entsprechenden Menge Benzin gefüllt und den Inhalt erneut geprüft hatte. Als er mit dem Ergebnis zufrieden war, winkte er einem unbekannten Helfer im Turm auf der rechten Seite zu. Langsam bewegte sich die Schranke in einem nach links gehenden Bogen, sodass sich die Tore, die den Verkehr Richtung Westen sperrten, nach innen öffneten. Leonard war einen Augenblick lang überwältigt von den sich vor ihm öffnenden Toren und zögerte kurz. Dann fuhr er mit dem Wagen vorsichtig durch die Pufferzone und an den Soldaten, den Schäferhunden und den anderen beiden Wachtürmen vorbei. Sobald er durch das Westtor hindurchgefahren war, drückte Leonard auf das Gaspedal. Zwei–komma–vier–zwei Liter Benzin, es konnte losgehen.
Kapitel Achtundzwanzig
Leonard und Natalia fuhren die triste Straße entlang. Der Tahoe, der vor ihnen in der Schlange gestanden hatte, war schon lange außer Sichtweite. Die Fahrbahnspuren der Landstraße, die Richtung Westen führten, waren in eine zweispurige Straße umgewandelt worden. Die Fahrbahnspuren Richtung Osten waren übersät mit zurückgelassenen Autos – viele lagen auf dem Dach und die meisten waren völlig geschrottet oder ausgebrannt. Leonard verschaffte sich einen groben Überblick und stellte fest, dass mehr als drei Viertel der Wagen einmal teure und schicke Autos gewesen waren.
Natalia starrte sie mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und traurigem Gesichtsausdruck an. Leonard wusste nicht, was er sagen sollte. Es sah so aus, als ob ein paar Rowdys eine Party gefeiert hätten und dabei Autos geschrottet, in Brand gesetzt und auf das Dach geworfen hatten. Obwohl klar war, was das VMIS mit diesem Schauspiel bezwecken wollte – nämlich die entgegenkommenden Fahrbahnspuren zu sperren – waren die Methoden doch sehr geschmacklos. Glücklicherweise löste sich der Schrottplatz in Richtung Osten nach einigen Kilometern wieder auf. Dennoch erschien dieser ewig lange Trümmerhaufen sinnlos.
Dieser gesamte Ort erschien sinnlos.
Leonard schauderte, als sie zur Ausfahrt kamen. Jede einzelne Ausfahrt war gesperrt worden und die Ausfahrtsschilder waren entweder entfernt oder mit Dachpappe verdeckt worden.
Da er diese Route in seiner Jugend oft genommen hatte, um Ski fahren oder wandern zu gehen, erinnerte Leonard sich noch gut daran, wie Hunderte von prächtigen Bauten einst den Berghang zwischen Genesee und Evergreen zierten. Obwohl immer noch einige erhalten geblieben waren, darunter auch das berühmte Sleeper House, schienen die meisten Gebäude niedergerissen worden zu sein. Die Gebirgsausläufe glichen einer dem Erdboden gleich gemachten Narbenlandschaft, so, als ob die Rocky Mountains eine
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