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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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dass du heute Abend einen Ausflug machst?“
    „Natürlich“, sagte Natalia heiter; ihre Schultern sanken langsam nach unten, als sich ihr Körper entspannte. „Onkel Bob hat mir schon fast ein Jahr lang versprochen, mich mitzunehmen.“ Sie boxte ihren Onkel leicht auf die rechte Schulter. „Ich bin noch nie über die Grenze gefahren.“
    Überrascht von der Geistesgegenwärtigkeit und schöpferischen Eigeninitiative seiner Tochter, überkam Leonard als Vater ein Moment des Stolzes. Außerdem kam ihm etwas eigennützig der Spruch der Apfel fällt nicht weit vom Stamm in den Sinn.
    Natalia grinste und schwärmte weiter: „Ich freu mich so riesig. Ich hab gehört, man kann von bestimmten Stellen aus ganz Denver sehen.“
    „Ja, Madison. Das ist wahr.“ Offensichtlich überzeugt von der Aufrichtigkeit des Mädchens berührte der glatzköpfige Mann kurz Natalias Schulter. „Na, dann mal viel Spaß.“ Er richtete sich auf und entfernte sich vom Wagen, während er dem dicken Mann beiläufig zunickte.
    „In Ordnung, Dr. Cook“, sagte der Mann und gab Leonard die Ausweise zurück. „Bitte öffnen Sie den Kofferraum und den Benzintank.“
    Leonard sah in den Rückspiegel. Ein zweiter VMIS–Mitarbeiter stand hinter dem Wagen. Vermutlich hatte er das Kfz–Kennzeichen schon überprüft. Der jüngste Mitarbeiter schlenderte mit einem dreißig Zentimeter langen, biegsamen Stab an einem kleinen, schwarzen Griff zum Benzintank hinüber.
    Der Toyota wackelte, während die Wärter den Kofferraum durchsuchten und den Benzintank abmaßen. Die Prozedur dauerte einige Minuten und Leonard versuchte, währenddessen ein Pokerface zu bewahren. Er beobachtete einen Soldaten in der Pufferzone dabei, wie er einem gehorsamen Schäferhund Kommandos gab. Plötzlich rief der Mann etwas und der Hund rannte auf einen großen Boxsack zu. Leonard zuckte zusammen, als der Hund in das pfirsichfarbene Leder biss.
    Im selben Moment erschien ein Gesicht an Leonards Seite. Es war der jüngste VMIS–Mitarbeiter. Mit seinen Sommersprossen und dem lockigen Haar schätzte Leonard den jungen Mann auf ungefähr zwanzig. Sein abgebrühtes Auftreten verlieh dem jungen Mann jedoch das Aussehen eines vom Krieg gezeichneten Veteranen.
    Der Wärter sah auf seinen tragbaren Computer und sagte: „Dieses Toyota–Modell schafft siebenundvierzig–komma–zwei Kilometer pro Gallone.“ Er tippte ein paar Zahlen in den Computer und wartete einen Moment. „Das heißt, Ihnen sind genau zwei–komma–vier–zwei Liter Benzin gestattet.“
    „Weniger als eine Gallone?“
    „Zwei–komma–vier–zwei Liter“, wiederholte er teilnahmslos und sah Leonard dabei kein einziges Mal an. Der VMIS–Mitarbeiter sah auf seinen Computer und tippte mit einem Finger gegen die Kante. „Sie haben momentan eins–komma–acht–fünf Liter in ihrem Tank, also können Sie noch…“ Er drückte auf eine Taste. „…null–komma–fünf–sieben Liter Benzin kaufen.“
    „Sie machen wohl Witze.“
    Der junge Mann neigte seinen Kopf zur Seite und sah Leonard misstrauisch an.
    „Ich meine, was ist, wenn mein Wagen keine siebenundvierzig–komma–zwei Kilometer pro Gallone schafft? Was ist, wenn er nur siebenundvierzig–komma–eins Kilometer schafft?“, fragte Leonard leichtfertig. „Mir könnte ein paar Hundert Meter vor Idaho Springs das Benzin ausgehen.“
    „Auf den letzten Kilometern gibt es Rettungswagen an verschiedenen Standorten.“
    „Ich würde es bevorzugen, eigenständig an mein Ziel zu gelangen, statt gerettet werden zu müssen.“
    Der junge Mann kniff die Augen zusammen. „Haben Sie genügend Rationen?“
    Natalia holte einen Coupon aus dem Handschuhfach, es war ein hellblauer Zettel mit den Worten eine Gallone darauf gedruckt.
    Der Wärter nahm den Coupon und hielt ihn gegen das Licht. Ein amtliches Wasserzeichen und ein ungewöhnlich geformter Sicherheitsfaden machten das Fälschen dieser Coupons sehr schwer.
    „Ich kann Ihnen darauf nicht rausgeben“, sagte er in einem monotonen Tonfall.
    „Was soll das heißen?“
    Der Wärter wedelte mit dem Coupon herum. „Auf die Rationen.“ Er sagte die Worte langsam, so, als ob er es mit einem Schwachsinnigen zu tun hätte.
    Leonard knirschte mit den Zähnen. „Ich muss den eine–Gallone –Coupon benutzen, um gerade mal ein Siebtel einer Gallone zu kaufen?“
    „Ja.“
    „Was ist mit dem Rückweg? Da werde ich noch mal zwei–komma–vier–zwei Liter Benzin brauchen. Kann ich die nicht einfach

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