Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
verdecken.
„Anziehen“, knurrte Stearns und drehte sich weg. „Ich kann den Anblick deiner Eier nicht länger ertragen. Sonst kommt mir noch das Abendessen wieder hoch.“
Mahler reichte Leonard seine Kleidung, behielt jedoch seine Uhr und Brieftasche.
Leonard zog sich langsam an und überlegte, ob er seine wahre Identität preisgeben sollte, oder nicht. Als er seine Hose zuknöpfte, bemerkte er plötzlich den Geruch von Schweiß und Zigarettenrauch. Der Leutnant atmete direkt in sein Gesicht.
„Ich werde dich etwas im Kämmerchen schmoren lassen, Cook. Während du da drin bist, kannst du ja etwas über die ungeübten Hände nachdenken, die an dem Körper deiner Tochter herumspielen…“ Er grunzte. „…ich meine natürlich herumoperieren werden.“
Mahler packte Leonard und legte ihm hinter seinem Rücken wieder die Handschellen an.
„Kammer 3“, sagte Stearns. „Den aus Kammer eins kannst du rauslassen. Er war den ganzen Tag da drin. Steck ihn in eine Einzelzelle.“
Während Mahler ihn den Gang hinunterführte, fragte sich Leonard, was zum Teufel der Unterschied zwischen einer Kammer und einer Einzelzelle war.
Zehn Minuten und einige Treppen später wurde ihm diese Frage beantwortet. Mahler schleppte Leonard in einen Gang mit einer Reihe von ein Meter achtzig hohen Türen, nummeriert von eins bis fünf. Mahler verstärkte seinen Griff um Leonards Handgelenk, fummelte an einem Schlüsselbund herum und probierte an Tür Nummer drei einige Schlüssel aus, bevor er den passenden fand. Zum ersten Mal lächelte Mahler und ließ die Tür aufschwingen.
Leonard sah in die Kammer. Sie war gerade mal so groß wie ein Sarg.
Kapitel Einunddreißig
Leonard hätte nicht gedacht, dass es möglich wäre, einen Körper in einen so kleinen Raum zu quetschen, aber Mahler, der Sanftmütige, hatte kein Problem damit, ihn in die Kammer zu zwängen. Die Klaustrophobie setzte beinahe sofort ein, sogar noch bevor sein Körper den Schmerz in Schultern und Rücken registrierte. Außerdem pochte die Seite seines Kopfes, an der Stelle, wo ihn Stearns geschlagen hatte. Er stand stundenlang in der Kammer und fühlte sich, als ob er jede Minute ersticken würde. Vielleicht verging eine Stunde, vielleicht sechs. Er hatte keine Ahnung. Er schloss die Augen und versuchte sich in einen Zen–artigen Dämmerzustand zu versetzen. Zum größten Teil half ihm das dabei, nicht verrückt zu werden.
Zwischen den kurzen Nickerchen grübelte Leonard. Letztendlich kam er zu dem Entschluss, dass er ihnen alles erzählen musste, unter der Bedingung, dass sie Natalia freilassen würden und sie nach Denver zurückkehren dürfte. Es gab keine Garantien, aber es war die einzige Möglichkeit, sie zu retten. Er konnte eventuell sein Wissen und seine Fähigkeiten anbieten oder ihnen vorenthalten, je nachdem, was sie mit Natalia vorhatten.
Ja, schlussfolgerte er, es ist die einzige Möglichkeit.
Als sich die Tür endlich öffnete, stolperte Leonard aus der Kammer und starke Arme verhinderten, dass er stürzte. Leonard erkannte den Mann. Es war Wächter Sanders, der den fetten Perversen maßgeregelt hatte, nachdem dieser Natalia begrapscht hatte. Trotz des feindseligen Ausdrucks des Mannes konnte Leonard nicht anders, als Respekt und Dankbarkeit gegenüber Sanders zu empfinden.
„Sir?“, begann Leonard mit heiserer Stimme.
Sanders antwortete, indem er Leonard eine schwarze Kapuze über den Kopf zog, ihn an den mit Handschellen gefesselten Handgelenken packte und den Gang hinunterstieß. Sie liefen einige Treppen hinauf und gingen durch mehrere Türen, die letzte führte sie ins Freie – Leonard konnte die kühle Septemberluft auf seiner Haut spüren. Obwohl er durch die Kapuze nicht erkennen konnte, ob es hell war, vermutete er, dass es Nacht war, denn er konnte keine anderen Stimmen oder sonstiges geschäftiges Treiben hören, das auf Tageslicht hingedeutet hätte.
Sanders schubste ihn auf den Rücksitz eines Wagens. Der Soldat schwieg weiterhin und Leonard beschloss, dass es wohl besser war, das Gleiche zu tun. Der Motor sprang an und der Fahrer lenkte den Wagen in einem großen Halbkreis herum, bevor er ihn auf eine angemessene Geschwindigkeit beschleunigte.
Nach ein paar Minuten bemerkte Leonard, dass sich noch jemand anderes mit ihm auf dem Rücksitz des Fahrzeuges befand. Er hörte leise, kurze Atemzüge und vermutete, dass es ein anderer Gefangener war. Er betete, dass es seine Tochter war, aber er traute sich nicht zu fragen.
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