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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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Lichtschalter. Die Glühbirne brannte durch und sie standen im Dunkeln.
    „Verdammt.“ Alina stöhnte.
    „Ich wechsle die Birne.“
    „Schon gut. Wir haben eh keine Glühbirnen.“
    „Na dann. Ich mag’s dunkel.“ Er strich ihr durchs Haar und sagte: „Irgendwie hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn dein Wächter noch ein bisschen länger geblieben wäre. Ich hätte gerne zu Ende geführt, was wir angefangen haben.“
    „Pssst“, unterbrach ihn Alina schroff. Sie streckte ihren Arm aus, um ihn daran zu hindern, weiterzugehen. „Das Licht in der Küche ist an.“ Sie schnappte sich den Regenschirm neben der Tür und ging auf Zehenspitzen langsam aber entschlossen in Richtung Küche. Sie hielt ihren Arm weiterhin schützend vor Leonard, sodass er sich seiner Männlichkeit beraubt fühlte. Kurz vor der Küche riss er ihr verärgert den Regenschirm aus der Hand.
    „Garrett“, rief Alina aus und klang dabei sowohl erleichtert als auch besorgt.
    Leonard lehnte den Regenschirm in die Ecke.
    Mit einem Muffin in der einen und einer Milchtüte in der anderen Hand stand der Teenager an der Spüle. Er trug immer noch dieselbe zerrissene Jeans und seine Füße verschwanden unter all dem Stoff.
    Er sprach, ohne sie dabei anzusehen. „Eine ziemlich ungewöhnliche Zeit, um einen Spaziergang zu machen.“
    „Eine ziemlich ungewöhnliche Zeit, um einen Muffin zu essen“, entgegnete Leonard.
    „Ich habe Hunger“, nuschelte er mit vollem Mund.
    „Wo hast du den Muffin her?“, fragte Alina.
    „Das geht dich gar nichts an.“ Er nahm einen kräftigen Schluck Milch direkt aus der Tüte.
    „Sprich nicht so mit deiner Mutter.“
    Garrett knallte die Milchtüte auf die Arbeitsplatte. „Schnauze, alter Mann.“
    Leonard ging auf den frechen Teenager los. Alina versuchte, ihn am Arm zurückzuhalten, erfolglos. Nur einige Zentimeter vor Garretts Gesicht fauchte er ihn an: „Wie wär’s, wenn du mir etwas mehr Respekt entgegenbringen würdest, junger Mann, sonst muss ich dir mal so richtig in den Arsch treten.“
    Garrett stieß seinen Vater so kräftig, dass er rückwärts stolperte und dabei Alina umwarf. Das Lachen des Teenagers hallte lautstark durch die Küche. Er wendete sich seinem Vater zu und sagte: „Du erbärmliches Stück Scheiße. Sag mir nicht, was ich zu tun habe.“
    Leonard gewann wieder sein Gleichgewicht und half Alina auf. „Ich bin dein Vater. Und solange du unter meinem Dach wohnst, werde ich dir sagen, was du zu tun hast.“
    „Na dann, Gott sei Dank“, brüllte Garrett, „denn ich bleibe eh nicht mehr lang in diesem beschissenen Drecksloch.“
    „Wovon redest du, Garrett?“, fragte Alina leise und sprach dabei in einem Ton, der vermuten ließ, dass sie schon wusste, worum es ging, sie sich nur nicht getraute, es auszusprechen.
    Der Teenager antwortete, indem er aus dem Raum ging, seinen Rucksack holte und einen Umschlag aus der vorderen Reißverschlusstasche zog. Dann hielt er den Umschlag seiner Mutter direkt ins Gesicht.
    Der gesunde Teint, den Alina durch die frische Septemberluft bekommen hatte, verblasste plötzlich und ihr karamellbraunes Gesicht wurde kreidebleich. Sie öffnete den Umschlag langsam und zog einen Haufen Papiere heraus. Garrett lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und lächelte widerwärtig. Er nahm die Milchtüte und trank einen Schluck. Alina strich die Papiere auf der Arbeitsplatte glatt. Einen Moment danach schnappte sie nach Luft. Garrett lachte, schlug sich mit der Hand aufs Knie und gab ein siegreiches Zischgeräusch von sich.
    „Eine staatliche Vormundschaft?“, flüsterte Alina ungläubig.
    Leonard riss ihr die Papiere aus den Händen und begann zu lesen.
    „Ich warte nur noch auf einen Platz in einer Siedlung“, sagte Garrett und grinste dabei immer noch triumphierend.
    Leonard verzog das Gesicht und starrte seinen Sohn an. „Wer würde sich freiwillig unter Vormundschaft des Staates stellen lassen?“
    „Nur so ziemlich jeder heutzutage, Vater. “ Er betonte das Wort Vater so, als wäre es eine Beleidigung. „Die Familie ist eine abscheuliche und überholte Institution. In nicht einmal zehn Jahren wird sie per Gesetz komplett verboten sein.“
    Leonard verspottete ihn. „Ja, klar.“
    „Du hast keine Ahnung, alter Mann. Du bist schon lange abgeschrieben. Wir werden das Land von eurer Art und euren verkommenen Werten befreien.“
    Fassungslos sagte Leonard nichts mehr.
    Garrett donnerte weiter. „Ich wünschte, ich wäre vor vier Jahren geboren

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