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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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retten.“
    „Konzentrieren? Wozu das Ganze?“
    „Damit du hier in unserem kleinen Paralleluniversum, wie du es nennst, überleben kannst. Und dafür wirst du diesen Ausweis brauchen, sonst schaffst du es nicht mal bis Montagabend.“
    „Ich weiß ja noch nicht einmal, wo ich anfangen soll.“
    „Versuch simpel und clever zu denken.“
    „Simpel und clever“, murmelte er.
    „So wie der Leonard, den ich geheiratet habe.“ Sie lächelte.
    Leonard überkam erneut ein Schwall von Gefühlen, dieses Mal waren sie aber von leidenschaftlicher und romantischer Natur – Erinnerungen an jene Zeit, in der sie noch unschuldige College–Kids gewesen waren und idealistische Träume hatten. Er küsste sie auf den Kopf. „Es tut mir leid, wenn ich dich in den letzten Jahren unglücklich gemacht habe. Ich werde es wieder gutmachen.“
    „Das weiß ich.“ Alinas Gesicht ließ Hoffnung und vielleicht sogar Erleichterung erkennen.
    „Und vielleicht wird Garrett sogar…“ Er verstummte.
    Alinas Gesichtsausdruck verfinsterte sich, sie schüttelte den Kopf und legte einen Finger auf seine Lippen. In ihren Augen bildeten sich Tränen und Leonard verstand, dass sie ihn zum ersten Mal nicht zugunsten ihrer politischen Sicherheit zum Schweigen gebracht hatte, sondern um ihr gebrochenes Herz zu schonen.
    „Ich werde die Schubladen aufräumen und mich dann etwas hinlegen“, sagte er laut.
    „Okay, ich mache die Küche sauber und gieße die Pflanzen. Und heute Nachmittag muss ich noch ein paar Sachen einkaufen.“
    Leonards Stimmung sank. Er hatte irgendwie gehofft, dass sie ihm helfen würde, aber sie hatte recht, die Person, die nach dem Ausweis suchte, musste denken wie Leonard.
    Er verbrachte den Großteil des Tages damit, Schubladen zu durchwühlen, seinen Aktenkoffer beinahe vollständig auseinanderzunehmen und die Taschen all seiner Hemden und Mäntel zu durchsuchen. Er war sich sicher, dass er den Ausweis irgendwo in einer bisher noch unentdeckten Socke in einer Schublade oder in einem geheimen Fach in seinem Aktenkoffer finden würde. Doch er fand nichts. Selbst seine Lederbrieftasche enthielt so gut wie nichts und nach sorgfältiger Untersuchung, kam er zu dem Schluss, dass sie auch kein verstecktes Fach besaß.
    Am Nachmittag jedoch fand er etwas Interessantes – eine eigenartige Schachtel auf einem Regal im Schrank. In der Schachtel befanden sich einige Diplome, Auszeichnungen von IBM und ein Bild, auf dem Leonard zu sehen war, wie er einem auffällig aussehenden Mann mit Ziegenbart und Schnäuzer die Hand schüttelte. Andenken an ein Leben, das er niemals geführt hatte, oder an das er sich zumindest nicht mehr erinnern konnte. Den Dokumenten zufolge hatte Leonard zwei Master–Abschlüsse, einen in Elektrotechnik und einen in Informatik. Er betrachtete die Diplome einige Minuten lang wehmütig und setzte anschließend seine Suche fort.
    Als Alina vom Einkaufen zurückgekehrt war, kam sie zu Leonard ins Schlafzimmer und beobachtete, wie er nun zum vierten Mal an diesem Tag seinen Aktenkoffer durchwühlte.
    Als lautlose Geste des Aufgebens warf er seine Arme in die Luft.
    Alina setzte sich zu ihm auf das Bett und sah sich den Aktenkoffer genau an.
    „Weißt du, was seltsam ist?“, flüsterte sie. „Da ist so gut wie nichts drin. Leere Notizblöcke. Ein Wissenschaftsmagazin. Ein paar Druckbleistifte.“
    „Ich nehme mal an, dass ich aufgrund der Art meiner Arbeit, was auch immer ich da genau tun mag, nichts von dem Stützpunkt mitnehmen darf.“
    „Warum hast du dann überhaupt einen Aktenkoffer?“, fragte sie sanft und verzog dabei das Gesicht.
    „Ich weiß nicht“, antwortete er verzweifelt und bemerkte den sarkastischen Unterton in Alinas Frage nicht. „Damit ich glaubwürdiger wirke?“
    „Weil du ein Magazin hast, das du auf der Toilette lesen kannst?“
    Zum ersten Mal, seitdem er den Frühstückstisch verlassen hatte, erlaubte sich Leonard ein Lächeln. Er war dankbar für diese Ablenkung.
    Alina legte den Aktenkoffer auf das Bett.
    „Ich konnte auch kein Handy finden“, sagte Leonard plötzlich. „Haben sie die etwa auch verboten?“
    „Nein. Wir haben ein paar Handys in der Ramschschublade in der Küche. Aber niemand benutzt mehr Handys. Es dauerte nicht lange und den Leuten wurde klar, dass verdächtige Unterhaltungen zu Untersuchungen führten.“
    „Das ist ja spitze“, murrte er.
    „Hast du heute überhaupt noch mal was gegessen?“
    „Ich hab mir eine Banane genommen.“
    „Komm

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