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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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ließ.
    Der dicke Commander, der langsam eine Glatze bekam, stand auf und streckte Leonard die Hand entgegen. Obwohl er stolz seinen Schnauzer und Ziegenbart zur Schau stellte, ähnelte Carlyle kaum dem gut aussehenden Mann auf dem riesigen Porträt im Eingangsbereich. Allerdings schien der Commander mit seinem Porträt mithalten zu wollen. Wenngleich ihm das kaum gelang, gab der Mann offensichtlich sein Bestes, um attraktiv zu wirken. Ein strahlend weißes Lächeln und eine künstliche Bräune verrieten dies. Die beeindruckende blassgrüne Uniform mit den hellen Streifen auf dem Revers ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Position weit über der seines Untergebenen in Grau innehatte.
    Leonard runzelte die Stirn und versuchte das strahlend weiße Lächeln und die ausgestreckte Hand einzuschätzen. An Carlyles Verhalten war absolut nichts Militärisches zu erkennen. Sollte der Mann nicht Respekt und vielleicht sogar Unterwürfigkeit von Leonard erwarten? Wenn er wirklich der Commander dieses Stützpunktes wäre, würde er jetzt sicherlich nicht mit ausgestreckter Hand vor ihm stehen. Nichtsdestotrotz schüttelte Leonard seine Hand und erwiderte gleichermaßen das gekünstelte Lächeln.
    „Setz dich doch“, sagte Carlyle und ging zu seinem eigenen Stuhl zurück.
    Leonard gehorchte.
    „Also, wie geht es dir, Leonard?“
    „Gut, Sir.“
    „Sind wir jetzt wieder bei Sir angelangt? Meine Leute haben recht. Irgendwas stimmt mit dir nicht.“
    Jetzt hat er mich.
    Leonard dachte angestrengt darüber nach, wie er den Mann stattdessen ansprechen sollte. Offensichtlich schienen sie sich zu duzen. Er suchte mit den Augen Carlyles überladenen Schreibtisch ab und fand seine Erlösung. Ein Namensschild. Christopher Carlyle. Er atmete erleichtert auf.
    „Wovon redest du, Chris?“
    Carlyle runzelte leicht die Stirn und Leonards Herz fing an zu rasen. Hätte ich ihn doch Christopher nennen sollen? Aber der Moment verstrich und der Commander grinste wieder.
    „Zum Beispiel davon, dass du heute Morgen die Sache mit deinem Zugangscode verbockt hast.“
    „Tut mir leid, Sir, äh, Chris. Ich—“
    „Du hast den ganzen Morgen schon so herumgedruckst.“
    „Ja. Ich…“ Leonard erinnerte sich an McGinnis‘ Vermutung. „Ich habe letzte Nacht etwas zu viel getrunken.“
    Carlyle kniff die Augen zusammen. „Ich hab dich noch nie trinken sehen.“
    „Das ist ja das Problem. Wenn ich mal trinke… BÄM!“ Leonard simulierte mit der Hand eine Explosion neben seinem Kopf.
    Carlyle lachte. „Du Teufelskerl.“
    „Tut mir leid. Wird nicht wieder—“
    „Wie geht es Alina?“
    Leonard zuckte zusammen. „Alina?“ Dieser Mann kennt meine Frau?
    „Hat sie etwa die Drinks eingeschenkt?“
    „Nein, das war ich, aber—“
    „Was hast du denn getrunken?“
    Denk dir schnell was aus. Bier wird da nicht reichen. „Jack Daniels.“
    „Pur?“
    „Auf Eis.“
    „Und Alina hat die Drinks nicht zubereitet?“ Carlyle drehte sich plötzlich in seinem Stuhl um und ging zu den Fenstern hinüber.
    Leonard merkte, wie ihm eine Schweißperle die linke Schläfe hinunterlief. „Nein. Um genau zu sein, habe ich ihr sogar einen Drink angeboten, aber sie lehnte ab.“
    „Ich verstehe.“
    Es folgte eine lange Pause, Leonard traute sich nicht, die Stille zu durchbrechen.
    „Hat sie dir irgendwelche Fragen gestellt, während du getrunken hast?“
    „Nein, Sir… Chris… to–pher.“
    Carlyle drehte sich abrupt zu Leonard um und sah ihn misstrauisch an. „Fragt sie sich nicht, was du so treibst?“
    „Doch, natürlich. Aber gerade letztens sagte sie zu mir: ,Ich weiß nur allzu gut, dass du nicht über dein Projekt sprechen kannst—‘“
    „Aha, sie ist also neugierig—“
    „,Und du solltest mittlerweile wissen, dass ich dich auch nie danach fragen würde.‘ Das hat sie gesagt.“ Leonards Gesicht verfinsterte sich. Und das kannst du gerne auf deinen Überwachungsbändern nachprüfen.
    Carlyle fasste sich mit einer Hand ans Kinn. „Könnte eine Tarnung sein—“
    „Möchtest du etwa andeuten—?“
    Carlyle zuckte mit den Schultern und winkte ab. „Ich bin mir sicher, es ist nichts.“
    „Was ist nichts?“
    „Sie verhält sich seltsam auf der Arbeit—“
    „Sie testet schwangere Frauen auf CARS.“
    „Das macht Alina jetzt schon seit einigen Jahren.“
    „Die Zahl der Fälle ist seitdem um einiges gestiegen.“ Leonard erinnerte sich an die öffentliche Bekanntmachung im Fernsehen und hoffte, dass diese Erklärung den

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