Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
zu seinem Freund und stellte sein Tablett vorsichtig auf den leicht schiefen Tisch.
    McGinnis stöhnte. „Sorry, dass ich den Wackeligen ausgesucht habe.“ Er schnappte sich eine Serviette, faltete sie geschickt zusammen und klemmte sie unter das kürzeste Tischbein. „Ich wollte nur heimliche Lauscher vermeiden.“
    Leonard ordnete sein Essen auf dem Tisch an und schob das leere Tablett zur Seite.
    McGinnis starrte ihn verzweifelt an, seine Hände ordentlich auf dem Tisch zusammengefaltet. „Und?“
    „Und was?“ Leonard biss in sein Sandwich und verzog das Gesicht. Es schmeckte nach altem Brot und schmierigem Käse. Er wagte einen Blick in das Sandwich und sah welken Salat, eine leicht graue Scheibe Wurst und blassorangefarbenen Käse. In Gedanken machte er sich eine Notiz, dass er am nächsten Tag besser sein eigenes Essen mitbrachte.
    „Also wie lief's nun mit Carlyle?“, flüsterte McGinnis ungeduldig.
    „Gut.“
    „Gut? Ist das alles, was du zu bieten hast? Gut?“
    „Sein Interesse schien nicht wirklich mir zu gelten.“
    McGinnis wurde blass. „Oh mein Gott. Er hat doch nicht etwa nach mir gefragt, oder?“
    „Nein, nach Alina.“
    „Alina? Aufrichtiger als sie geht‘s ja kaum noch.“
    Leonard nickte, obwohl er wusste, dass dies nicht stimmte. „Das hab ich ihm auch gesagt.“
    „Und deine beteuernden Worte haben ihm genügt?“
    „So ziemlich.“
    „Was werfen sie ihr denn vor?“
    „Sie werfen ihr vor, mir Informationen entlocken zu wollen.“
    McGinnis gluckste. „Das wär‘s ja“, flüsterte er. „Als ob sie überhaupt verstehen würde, was wir hier tun.“
    Leonard runzelte die Stirn. Sie ist Ärztin und, wenn ich mich recht erinnere, eine Einser–Studentin. Ein Adrenalinschub fuhr plötzlich durch Leonards Körper und er war kurz davor, seine Nerven zu verlieren. Er wollte eigentlich hier und jetzt auf diesen Dreckskerl losgehen. Er hielt sich aber im Zaum. Er sah weg und versuchte, seinen Kopf freizubekommen, schweifte jedoch mit seinen Gedanken immer weiter ab und musste an die Unterhaltung mit Carlyle denken.
    Wir sind darauf angewiesen, dass uns treue Bürger dabei helfen, das aufrecht zu erhalten, was wir uns in so kurzer Zeit erarbeitet haben.
    Leonard schauderte.
    Stasi–Satelliten. Entweder jemand mit einem sehr trockenen Humor hatte sich diesen Namen ausgedacht oder jemand, der von dem unterdrückenden Regierungssystem Ostdeutschlands begeistert war und damit seine Anerkennung ausdrücken wollte. Nachdem er Carlyle kennengelernt hatte, war er sich nicht mehr sicher, welche der beiden Optionen wahrscheinlicher war.
    Leonard wagte einen Versuch und sagte: „Das ist irgendwie schlau, weißt du… Spionage–Satelliten, die nach der Stasi benannt wurden.“ Er war sich nicht sicher, wie weit er sich auf diesem Gebiet aus dem Fenster lehnen konnte und versuchte, lässig zu wirken. Er nahm einen großen Bissen vom Sandwich, sodass kaum noch etwas davon übrig blieb.
    McGinnis machte ein finsteres Gesicht. „Was du nicht sagst, Einstein.“
    Leonard kaute geschäftig, in der Hoffnung, McGinnis würde weiter reden. Er sollte nicht enttäuscht werden.
    „Damit hast du letztes Mal schon ordentlich angegeben.“
    „Letztes Mal?“, nuschelte Leonard, während er versuchte, den Bissen herunterzuschlucken. Er trank einen Schluck Wasser.
    „Als wir das letze Mal diese Unterhaltung hatten. Ich versteh nicht, was daran schlau sein soll, Tramer. Sag du‘s mir. Du hast den Namen ja schließlich ausgesucht.“
    Leonard verschluckte sich beinahe und stieß sein Wasser um.
    „Gott, du bist heute vielleicht ein Tollpatsch.“ McGinnis nahm ein paar Servietten und versuchte, den Tisch trocken zu wischen.
    Ich habe den Namen ausgesucht?
    „Es erstaunt mich immer wieder, wie viel Ehrfurcht dir die Menschen entgegenbringen. Wenn du mich fragst, hätte Stehlen das Projekt benennen sollen, oder auch Carlyle. Aber da du den Prototypen entworfen hast, durftest du ihn eben benennen.“
    Ich habe den Prototypen entworfen?
    Leonard hatte Probleme zu folgen. Dann erinnerte er sich daran, wie überwältigt er gewesen war, als er die Plattform zum ersten Mal betreten hatte. Sie sind wirklich wunderschön , gestand er sich ein, als ob er damit seine Beteiligung an der Entstehung einer so unheimlichen Technologie – deren Aufgabe es war, die Privatsphäre jedes Individuums zu dezimieren – rechtfertigen wollte. Mithilfe der Stasi–Satelliten zielte die Regierung darauf ab, die intellektuelle

Weitere Kostenlose Bücher