Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
es erfunden haben?“
    Alina nickte, während ihr Tränen über die Wangen liefen.
    „Und wusstest du davon?“
    Sie nickte und schüttelte anschließend den Kopf. „Anfangs nicht.“
    „Aber was ist mit den gewaltsamen Ausschreitungen?“
    „Inszeniert.“
    „Das erste Massaker kostete zwanzig Grundschülern das Leben.“
    „Ich weiß“, murmelte sie in sich hinein.
    „Wer würde so etwas tun?“
    „Die CIA? Das ABV? Irgendeine supergeheime Abteilung von sonst was? Ich weiß es nicht.“
    „Und die sind dann einfach Amok gelaufen und haben unschuldige Menschen getötet?“ Leonard zuckte zusammen. Er versuchte, seine Lautstärke im Zaum zu halten und sagte energisch: „Warum um Gottes willen sollte jemand so etwas tun?“
    „Verstehst du nicht?“
    „Nein, das verstehe ich nicht. Das ist grauenhaft.“
    „Der Nationale Notstand, die Datenbank… wie den Müttern ihre Babys aus den Händen gerissen werden.“
    Leonard schloss seine Augen und nickte, denn er verstand plötzlich.
    „Sie hatten schon den Wohnungsmarkt übernommen. Sie hatten Unternehmen verstaatlicht und Privatschulen abgeschafft. Eine staatliche Gesundheitsfürsorge wurde etabliert. Es gelang ihnen hier und da Regimekritiker aus dem Verkehr zu ziehen, aber sie hatten noch nicht alle Bürger unter Kontrolle. Eine tödliche Epidemie war genau das Richtige, um die Kontrolle über jedes einzelne Individuum und das Anlegen einer nationalen Datenbank zu rechtfertigen. Aber um den Klinikbau, die Grenzschließungen und die Kindesentführungen verteidigen zu können, benötigten sie erst noch eine unglaublich gewaltsame Katastrophe.“
    „Also haben sie einfach willkürlich CARS–Diagnosen verteilt?“
    „Ja, manche waren willkürlich, um Spuren zu verwischen, aber sonst hatten sie ein klares Ziel vor Augen. Politische Regimekritiker und Leute, die Probleme bereiteten, zu beseitigen. Während der ersten Tests “, erklärte Alina und machte dabei in der Luft Anführungszeichen mit den Fingern, „wurden die meisten bekannten Rebellen ausgesiebt. Aber mittlerweile kann das GM jeden dazu verpflichten, den Test zu wiederholen .“
    „Und du hast mir das alles nicht schon am Samstag erzählt, weil…?“, wollte Leonard wissen.
    Alina starrte auf den Boden und zuckte hilflos mit den Schultern.
    „Du hast dir die Arbeit gemacht, mir detailliert eine Krankheit zu beschreiben, die es gar nicht gibt“, fuhr er sie an. „All der Schwachsinn von wegen unkontrollierter Gewaltausbrüche und keiner Heilung. All der Scheiß war gelogen.“
    Alina fiel auf die Knie, faltete die Hände in seinem Schoß zusammen und flehte Leonard an. „Bitte, rede nicht so laut. Es tut mir leid.“
    Er stieß sie von sich weg, in seinen Augen waren jedoch schon Tränen zu erkennen. Mit heiserer Stimme zwang er die Worte heraus: „Warum hast du mir nicht vertraut?“
    Alina kletterte zurück auf die Couch und setzte sich ganz nah neben ihn. „Es tut mir leid. Wirklich. Diese Welt mag für dich neu sein, aber ich habe schon Jahre in ihr verbracht. Gesetze, die sich über Nacht ändern. Freunde und Familienmitglieder, die sich gegenseitig verraten. Der alte Leonard war ein Rätsel für mich. Ich wusste nie, ob ich ihm vertrauen konnte oder nicht. Der neue Leonard fasziniert mich. Mein Herz wird von Hoffnung erfüllt, aber…“
    Leonard, nun nicht mehr streng und anklagend, nahm die Hand seiner Frau.
    Sie fuhr fort. „Wir hatten schon seit Jahren kaum ein richtiges Gespräch mehr. Du hast recht. Ich hab dir nicht vertraut. Ich hatte Angst, Leonard. Ich dachte, dass du mich vielleicht nur testen wolltest. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel.“
    „Wie dein Job zum Beispiel?“, bemerkte er höhnisch.
    „Nein. Ich dachte, wenn ich einfach weiter über die Dinge redete, die mir nicht gefielen, dabei aber mein streng gehütetes Geheimnis für mich behielt, würde ich den Test bestehen… und sie würden sie in Ruhe lassen.“
    „Wen in Ruhe lassen.“
    „Natalia.“

Kapitel Zwölf

     
    Die Wände des Zimmers bewegten sich immer weiter auf ihn zu und der Lärm des Fernsehers und Radios verklang langsam in der Ferne. Die Decke rückte Zentimeter für Zentimeter näher. Leonard wusste, dass er jeden Augenblick erdrückt werden würde.
    „Leonard.“ Alina stieß ihn an. „Alles in Ordnung?“
    Er atmete plötzlich tief ein und sah sich um. Die Wände waren wieder an ihrem Platz, die Elektrogeräte brüllten weiter vor sich hin und der Raum würde ihn schließlich

Weitere Kostenlose Bücher