Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Projekt, das du hier am Laufen hast“, entgegnete Leonard und hoffte, so wieder den Weg zurück in die Unterhaltung zu finden.
„Ich bin lieber in der Ausweisbeschaffung tätig, als im Tunnelbauprojekt. Einige Männer haben es letztes Jahr geschafft, einen Tunnel unter der Südmauer durchzugraben. Sie haben dreizehn Menschen durchgeschmuggelt, aber die Sache ist nicht gut ausgegangen. Trotzdem versuchen es jetzt wieder einige. Das Problem ist, wenn man erstmal unten ist, muss man ziemlich gut ausgerüstet sein, um zu überleben. Die Südmauer ist die Mauer, die am einfachsten zu durchbrechen ist, aber man kann danach nirgendwohin fliehen. Es ist ein weiter Weg, wenn man in Castle Rock aufbricht.“
„Ein weiter Weg bis nach Grand Junction?“, fragte Leonard.
Max schien auf einmal seine lose Zunge zu bereuen. „Ja. Genau.“ Er betrachtete Leonard erneut misstrauisch. Dann sah er auf seinen Notizblock und murmelte: „Ich mach den Ausweis bis Donnerstagmorgen fertig. Kann sein, dass ich jemanden mitten in der Nacht schicken muss, um die Übergabe abzuwickeln.“
„Sag uns einfach Bescheid, wann und wo“, erwiderte Alina lächelnd.
„Geht klar.“ Er geleitete seine Gäste zurück in das Vorzimmer und schloss hinter sich die Tür zum Fotoraum.
Eric Stehlen, ein Mann mit einer Vision hallte es durch das Wohnzimmer. Leonard biss die Zähne zusammen.
„Rückblickend ist es kaum zu fassen, dass sich diese erbärmlichen Protestierenden über fünf Jahre so sehr aufgeregt haben. Ich meine, fünf Jahre. Das ist nichts.“
„Maßlos unpatriotisch.“
„Einfach dumm.“ Der erste Mann schüttelte traurig den Kopf.
„Oh“, sagte Max plötzlich. „Wegen der Wanzen im Auto.“
Alina zuckte zusammen. „Es gibt Wanzen im Auto?“
„In eurem Toyota ist nur eine. Reese hat gründlich nachgesehen.“
„Wie sollen wir mit einer Wanze im Auto überhaupt irgendwohin kommen?“, flüsterte Alina schroff.
„Keine Sorge. Es ist ein ziemlich altes Modell. Eine B12. Sie ist rechts am Fahrersitz befestigt.“
„Sie ist am Sitz befestigt?“
„Ja. Wächter können in jedes Auto einsteigen, eine B12 an die Seite des Sitzes klatschen und innerhalb von dreißig Sekunden wieder raus sein.“
Alina schien beunruhigt. „Ich kann das nicht. Wie sollen wir flüchten, wenn wir noch nicht mal anständig miteinander reden können?“
„Ganz ruhig. Schütte einfach eine Limo, oder noch besser einen Milchshake, an der Seite des Sitzes runter.“
„Und sie werden uns nicht verfolgen, weil wir eine Wanze unbrauchbar gemacht haben?“
„B12er übermitteln keinerlei Fehlermeldungen. Niemand wird merken, wenn im Netz eine ausfällt, es sei denn natürlich, die Wächter hören gerade eure Unterhaltungen ab—“
„Was gut möglich sein könnte.“
Max zuckte mit den Schultern. „Dann werden sie die Angelegenheit trotzdem nicht so dringlich behandeln. Sie können innerhalb von vierundzwanzig Stunden nicht allem nachgehen. Und bis sie es tun, seid ihr schon lange weg.“
„Schon möglich.“ Alinas Zuversicht war beträchtlich geschrumpft.
„Die Sache mit dem Milchshake ist eine wunderbare Tarnung. Es gibt keinen Beweis, dass ihr den Sender absichtlich manipuliert habt. Werft einfach ein paar leere Snacktüten auf den Rücksitz. So sieht’s aus, als wärt ihr lediglich zwei Drecksäue.“
Der kriecherische Fernsehmoderator plapperte weiter. „Und mal ganz ehrlich, in der gegenwärtigen Krise würde ich sagen, je jünger, desto besser.“
„Absolut, Brady. Vitalität und Intelligenz. Das hat das Land gerettet.“
Ein Foto erschien auf dem Bildschirm. Leonard fuhr zusammen. Ein überheblich aussehender Mann mit Schnäuzer und dunkelgrauem Ziegenbart starrte ihm entgegen.
„Der Mann von dem Porträt“, platzte Leonard lauter heraus, als beabsichtigt.
Max und Alina drehten sich blitzartig um. Sie sahen ihn beunruhigt an.
Leonard zeigte auf den Fernseher und erklärte: „Es gibt ein riesiges, drei Stockwerke hohes Porträt von diesem Mann in der Eingangshalle vom ABV.“ Er lächelte, als ihm eine weitere Verbindung auffiel. „Und ich habe ein Foto von mir, auf dem ich seine Hand schüttele… in der Schachtel mit meinen Diplomen.“
Alina lief eilig zu Leonard hinüber und nahm seinen Arm. „Lass uns gehen, Schatz. Max hat noch viel zu tun.“
Aber plötzlich tauchte Max neben ihnen auf und blieb nur einige Zentimeter vor Leonards Gesicht stehen. „Was willst du damit sagen?“, fragte er
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