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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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flüsternd.
    „Es hat mich einfach nur gewurmt. Ich wusste, ich hatte diesen Kerl schon irgendwo gesehen.“ Leonard wurde plötzlich sehr nervös und verstummte.
    „Das ist Stehlen, Leonard“, sagte Alina sanft und versuchte ihn damit zum Schweigen zu bringen. „Geht es dir nicht gut, Schatz?“
    Stehlen. Natürlich, du Idiot.
    Benommen brach Leonard aus dem Menschendreieck aus und stolperte zur Couch. Er legte seinen Kopf in die Hände und versuchte so, das Blut wieder zurück in sein Gehirn zu zwingen. Als er wieder aufsah, bemerkte er, dass Max und Alina leise, aber dennoch hitzig miteinander diskutierten und dabei gelegentlich zu Leonard hinüberblickten. Schließlich nickte Max und schien sich mit der Erklärung, die Alina ihm gab, zufriedenzugeben. Er ging hinüber zur Couch, half Leonard auf und brachte ihn zur Tür.
    Die Tür schloss sich hinter ihnen und man konnte hören, wie die drei Schlösser verriegelt wurden. Als sie den Flur entlanggingen, flüsterte Leonard Alina sanft ins Ohr: „Was hast du ihm erzählt?“
    „Dass du einem schiefgelaufenen Gehirnexperiment des ABVs zum Opfer gefallen bist.“
    „Und das hat er dir abgekauft?“
    „Scheint so. Je nachdem, ob wir am Donnerstag einen Ausweis bekommen oder nicht.“
    Leonard starrte auf die Stufen, während sie die Treppen hinuntergingen. „Tut mir leid.“
    „Versuch in Zukunft einfach deinen Mund zu halten, wenn du das Gefühl hast, du verstehst irgendwas nicht. Wenn du Fragen hast, stell sie mir unter vier Augen .“
    „Alles klar.“ Sie erreichten den Ausgang des Gebäudes. „Alina?“
    „Ja?“
    „Warum habe ich Präsident Stehlen die Hand geschüttelt?“
    „Als du mit dem Foto nach Hause kamst, hast du erzählt, dass er vorbeigekommen war, um dem Team zum Erfolg deines Projektes zu gratulieren. Ich wusste nicht, dass du der Projektleiter warst. Er war offensichtlich ziemlich beeindruckt von deiner Arbeit.“
    „Und ich?“ Er hielt die Tür auf und signalisierte Alina, voranzugehen.
    „Du warst genauso distanziert wie sonst auch. Ich wusste nicht, was ich von deiner Reaktion halten sollte. Ich nehme mal an, das Fehlen überschwänglicher Verehrung hätte man als Zeichen von Widerstand deuten können.“
    Leonard lachte in sich hinein und nahm ihre Hand. Sie seufzte und lehnte sich an seine Seite, während sie in die frische Nachtluft eintauchten.
    „Lass uns versuchen, noch etwas Schlaf zu bekommen, Frankenstein“, sagte sie leicht amüsiert.
    „Das hört sich nach einer wunderbaren Idee an.“

Kapitel Achtzehn

     
    Am nächsten Morgen lief Leonard fast wie ferngesteuert durch die Gänge des ABVs – er zog seinen Ausweis durch das Kartenlesegerät, lehnte sich für die Netzhaut–Scans nach vorne und gab sein fünfstelliges Passwort ein. Er nahm kaum Notiz von dem drei Stockwerke hohen Porträt, von dem er nun wusste, dass es Präsident Stehlen darstellte.
    Nachdem Leonard sich von Anfang an ziemlich reserviert verhalten hatte, gab McGinnis jeglichen Versuch auf, mit ihm zu reden. Das passte Leonard ziemlich gut. Er war nicht in der Stimmung. In seinem Kopf spukten Bilder von Alina und Max herum und Leonard schmollte trotzig.
    Eifersüchtig auf die enge Beziehung, die seine Frau mit Max hatte, und sauer auf sich selbst und seine Naivität, ging Leonard weiter und nahm seine Umgebung kaum wahr. Müde, verwirrt und gereizt, konnte Leonard nicht recht einordnen, was Realität war und was er sich nur einbildete. Er zog die Möglichkeit in Betracht, dass Alina eine Affäre mit Max hatte, verwarf die Idee jedoch schnell wieder. Wo sollte sie Zeit für so etwas hergenommen haben? Andererseits, wie hatte sie es geschafft, all die Dinge zu tun, die sie angeblich zur Vorbereitung der Flucht nach Grand Junction getan hatte? Leonard versuchte den Gedanken abzuschütteln und kam zu dem Entschluss, dass der Grad an Erschöpfung, in dem er sich befand, sein Urteilsvermögen schwer beeinträchtigen musste.
    Als er an der Plattform ankam, blieb er nicht, wie beim ersten Mal, verblüfft stehen. Die gigantische Anlage mit all ihren Satelliten beeindruckte ihn nun nicht mehr. Schnee von gestern. Er war vorher schon mehrere hundert Male hier gewesen. Vielleicht hatte Alina recht. Vielleicht war er wirklich einem schiefgelaufenen Gehirnexperiment des ABVs zum Opfer gefallen.
    Leonard schlängelte sich geistesabwesend durch den Arbeitskabinen–Irrgarten und versuchte, sich auf die für heute wichtigen Aufgaben zu konzentrieren. Er musste

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