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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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bessere Idee gehabt?«
    »Nein. Nicht, wenn der Auftraggeber das Ding unbedingt vor Ort haben will. Aber wir sitzen hier natürlich mitten in ihrem Beobachtungsgebiet.«
    »Darling«, prustete Conroy, »vielleicht haben wir nur mal angehalten, um schnell’ne Nummer zu schieben. Kleiner Zwischenstop auf der Fahrt nach Tucson. Ist so’ne Stelle hier. Die Leute halten hier an, um zu pissen, weißt du?« Er blickte auf seine schwarze Porsche-Uhr. »Ich muss in einer Stunde da sein und mit’nem Helikopter zur Küste zurückfliegen.«
    »Zur Bohrinsel?«
    »Nein. Wegen deinem blöden Jet. Dachte, das nehm ich selbst in die Hand.«
    »Gut.«
    »Ich würde’nen Dornier-Luftkissengleiter einsetzen. Den stellen wir oben an der Straße bereit, bis wir Mitchell kommen sehn. Das Ding könnte hier sein, bis die Ärzte ihn durch haben. Dann rein mit ihm, und ab durch die Mitte zur Grenze nach Sonora …«
    »Mit Unterschall? Kommt überhaupt nicht infrage. Du machst dich auf nach Kalifornien und besorgst mir’nen Senkrechtstarter. Unser Knabe verdünnisiert sich in einem Mehrzweck-Kampfflugzeug neuester Bauart.«
    »Hast du’nen bestimmten Piloten im Sinn?«
    »Mich«, sagte Turner und tippte auf die Buchse hinter seinem Ohr. »Ist’n voll integriertes interaktives System. Die verkaufen dir die Interface-Software, und ich klink mich direkt rein.«
    »Wusste gar nicht, dass du fliegen kannst.«

    »Kann ich auch nicht. Ich brauch nicht selber Hand anzulegen, um die Kiste nach Mexico City zu bringen.«
    »Noch immer der wilde Bursche, Turner? Schon mal gehört, dass sie dir in Neu-Delhi angeblich den Schwanz weggeblasen haben sollen?« Conroy wandte sich zu ihm um. Sein Grinsen war kalt und steril.
    Turner zog den Parka hinterm Sitz hervor und nahm den Revolver und die Schachtel Munition heraus. Er stopfte den Parka wieder zurück, aber Conroy sagte: »Behalt ihn! Nachts wird es saukalt hier.«
    Turner griff nach dem Verschluss am Kanzeldach, und Conroy brachte die Motoren auf Touren. Das Hovercraft hob sich ein paar Zentimeter und schwankte leicht, als Turner die Haube hochklappte und ausstieg. Gleißende Sonne und eine Luft wie heißer Samt. Er zog die mexikanische Sonnenbrille aus der Tasche seines blauen Arbeitshemds und setzte sie auf. Er trug weiße Segeltuchschuhe und die Hose eines Tropenkampfanzugs. Die Schachtel mit den Explosivgeschossen wanderte in eine Oberschenkeltasche. Die Knarre behielt er in der rechten Hand, den Parka rollte er zusammen und klemmte ihn sich unter den linken Arm. »Geh zu dem langen Bau«, rief ihm Conroy über den Motorenlärm hinweg zu. »Da wirst du erwartet.«
    Turner sprang in die Gluthitze des Wüstenmittags hinunter, während Conroy Gas gab und das Fokker wieder auf den Highway steuerte. Turner sah ihm nach, als er nach Osten davonraste; das Flimmern der aufsteigenden Hitze verzerrte die kleiner werdenden Umrisse.
    Als die Maschine verschwunden war, war kein Laut mehr zu hören. Nichts regte sich. Er drehte sich zu der Ruine um. Etwas Kleines, Schiefergraues huschte von einem Stein zu einem anderen. Etwa achtzig Meter vom Highway entfernt ragte das verfallene Gemäuer auf. Die dazwischenliegende Fläche hatte früher als Parkplatz gedient.

    Fünf Schritte vorwärts, und er blieb stehen. Er hörte das Meer, das Brausen der Brandung, das Donnern der herabstürzenden Brecher. Die Knarre lag in seiner Hand, zu groß, zu real, und heizte sich in der Sonne auf.
    Kein Meer, kein Meer, sagte er sich. Ich kann es nicht hören. Er ging weiter und glitt mit seinen Segeltuchschuhen in einer Masse alten Fensterglases aus, die mit braunen und grünen Flaschenscherben durchsetzt war. Rostige Scheiben, die einmal Kronkorken gewesen waren, und plattgedrückte Aludosen lagen herum. Insekten schwirrten von niedrigen, dürren Sträuchern auf.
    Aus. Vorbei. Damit. Keine Zeit.
    Er blieb wieder stehen und spähte nach vorn, als suchte er etwas, das ihm helfen würde, das, was in ihm hochstieg, zu benennen. Etwas Hohles …
    Das Einkaufszentrum war doppelt tot. Das Strandhotel in Mexiko hatte einmal gelebt, zumindest eine Saison lang.
    Hinter dem Parkplatz das sonnige Schlackensteingemäuer, schäbig und seelenlos. Wartend.
     
    Er fand sie im schmalen Schatten eines grauen Mauerstücks kauernd. Sie waren zu dritt. Er roch den Kaffee, bevor er sie sah. Der rußgeschwärzte Emailletopf stand wacklig auf dem winzigen Primus-Kocher. Es war natürlich beabsichtigt, dass Turner den Kaffee roch; sie erwarteten

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