Neuromancer-Trilogie
ihn. Andernfalls hätte er die Ruine leer vorgefunden und wäre dann still und leise und beinahe auf natürliche Weise gestorben.
Zwei Männer, eine Frau. Rissige, staubige Texasstiefel, der Jeansstoff ihrer Hosen so speckig, dass er vermutlich wasserdicht war. Die Männer waren bärtig und hatten das ungeschnittene, sonnengebleichte Haar mit Lederstreifen zu einem Knoten gebunden. Die Frau hatte das Haar in der Mitte gescheitelt und aus dem zerfurchten, vom Wind geröteten Gesicht
straff nach hinten gekämmt. An der Mauer lehnte ein uraltes BMW-Motorrad mit rostigem Chrom und verbeulten Lackteilen, das mit graubrauner Wüstentarnung überspritzt war.
Turner löste die Hand vom Griff der Smith & Wesson und ließ sie um den Zeigefinger kreisen, so dass der Lauf erst nach oben und dann nach unten zeigte.
»Turner«, sagte einer der Männer und stand auf. Billiges Metall blitzte in seinem Mund. »Sutcliffe.« Leichter Akzent, wahrscheinlich australisch.
»Vorhut?« Er blickte zu den beiden anderen.
»Genau«, sagte Sutcliffe, stocherte mit braunem Zeigefinger und Daumen im Mund herum und zog eine gelbliche Prothese mit Stahlkronen heraus. Seine eigenen Zähne waren weiß und völlig gleichmäßig. »Du hast Chauvet von IBM zu Mitsu gebracht«, sagte er. »Und es heißt, du hättest Semenow aus Tomsk rausgeholt.«
»Ist das eine Frage?«
»Ich war im Werkschutz von IBM in Marrakesch, als du das Hotel hochgejagt hast.«
Turner sah dem Mann in die Augen. Sie waren blau, ruhig und strahlend. »Ist das ein Problem für dich?«
»Keine Sorge«, erwiderte Sutcliffe. »Ich wollte nur sagen, dass ich deine Arbeit gesehn habe.« Er steckte sich die Prothese wieder in den Mund. »Lynch.« Er nickte zu dem anderen Mann hinüber. »Und Webber.« Eine Kopfbewegung zu der Frau.
»Also, dann lasst mal hören«, sagte Turner und hockte sich in den winzigen Schatten. Die Knarre behielt er in der Hand.
»Wir sind vor drei Tagen gekommen«, sagte Webber. »Auf zwei Motorrädern. Wir haben dafür gesorgt, dass bei einem die Kurbelwelle gebrochen ist, falls man uns gefragt hätte, warum wir hier campen. Ist gelegentlich’n Durchgangslager hier für Motorradtramps und Kultfreaks. Lynch hat’ne Glasfaserleitung
sechs Kilometer nach Osten verlegt und ein Telefon angezapft …«
»Privat?«
»Münzfernsprecher«, sagte Lynch.
»Wir haben ein Testsignal durchgejagt«, fuhr die Frau fort. »Falls es nicht funktioniert hätte, würdest du’s jetzt schon wissen.«
Turner nickte. »Schon Anrufe reingekommen?«
»Nein. Die Leitung ist ausschließlich für die große Show, was immer das sein mag.« Sie zog die Brauen hoch.
»Geht um’ne Abwerbung.«
»Na, das liegt ja wohl auf der Hand«, sagte Sutcliffe, während er sich mit dem Rücken zur Wand neben Webber niederließ. »Obwohl der allgemeine Ton in dieser Operation bis jetzt darauf hindeutet, dass wir Mietlinge wahrscheinlich gar nicht erfahren werden, wen wir rausholen. Stimmt’s, Turner? Oder werden wir im Fax was drüber lesen können?«
Turner ignorierte ihn. »Weiter, Webber.«
»Nachdem die Leitung stand, kam allmählich der Rest der Mannschaft dazu, einzeln oder zu zweit. Der Letzte hat uns auf die Japs-Fuhre vorbereitet.«
»Das war’n Ding«, sagte Sutcliffe. »Bisschen gewagt.«
»Meinst du, dadurch hätte die Sache platzen können?«, fragte Turner.
Sutcliffe zuckte mit den Achseln. »Schon möglich. Wir haben das Teil fix verschwinden lassen. Verdammter Dusel, dass wir das Dach hatten, unter das wir’s stecken konnten.«
»Und was ist mit den Passagieren?«
»Die kommen nur nachts raus«, sagte Webber. »Und sie wissen, dass wir sie abknallen, wenn sie sich weiter als fünf Meter von dem Ding entfernen.«
Turner blickte kurz zu Sutcliffe hin.
»Conroys Befehle«, sagte der Mann.
»Conroys Befehle gelten jetzt nicht«, sagte Turner. »Diesen einen ausgenommen. Was sind das für Typen?«
»Ärzte«, sagte Lynch. »Korrupte Ärzte.«
»Genau«, meinte Turner. »Und wie steht’s mit dem Rest der Truppe?«
»Wir haben einen Sonnenschutz aus mimetischer Tarnplane aufgespannt. Sie schlafen in Schichten. Es ist nicht genug Wasser da, und wir dürfen mit der Kocherei kein großes Risiko eingehen.« Sutcliffe griff nach dem Kaffeetopf. »Wir haben Posten aufgestellt und überprüfen regelmäßig die Überlandleitung.« Er goss sich Kaffee in einen Plastikbecher, der aussah, als hätte ein Hund daran herumgebissen. »Also, wann geht der Tanz los,
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