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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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ausschwemmen.« Sie tippte mit dem burgunderroten Fingernagel auf das Oktagon. »Biochemisch bist du nicht mehr in der Lage, auf Amphetamin oder Kokain abzufahren.«
    »Scheiße.« Er blickte von dem Oktagon zu ihr.
    »Nur zu! Schluck ein Dutzend. Da passiert nichts.«
    Er tat es. Nichts passierte.

    Nach drei Bier erkundigte sie sich bei Ratz nach den Schaukämpfen.
    »Sammi«, sagte Ratz.
    »Ich passe«, sagte Case. »Angeblich bringen die sich da gegenseitig um.«
    Eine Stunde später erstand sie die Eintrittskarten bei einem mageren Thai in weißem T-Shirt und weiter Rugbyhose.
    Das Sammi war eine aufgeblasene Kuppel hinter einem Lagerhaus am Hafen. Die straffe graue Haut war mit einem Netz dünner Stahlseile verstärkt. Der Korridor mit einer Tür an jedem Ende bildete eine primitive Schleuse, die den Überdruck im Kuppelinnern aufrechterhielt. An der Sperrholzdecke waren in Abständen ringförmige Leuchtstoffröhren befestigt, die allerdings zum größten Teil kaputt waren. Die Luft war feucht und abgestanden; es roch nach Schweiß und Beton.
    Trotz all dem war er nicht vorbereitet auf die Arena, die Menge, die gespannte Stille, die hünenhaften Lichtgestalten unter der Kuppel. Betonränge fielen in Stufen zu einer Art Bühne ab, einem erhöhten Ring mit einem blitzenden Dickicht von Projektionsgeräten drum herum. Kein Licht außer den Hologrammen, die über dem Ring flimmerten und die Bewegungen der beiden Männer darunter wiedergaben. Von den Rängen stieg in Schwaden Zigarettenrauch auf und trieb träge dahin, bis er in die Luftströmungen aus den Gebläsen geriet, die die Kuppel aufblähten. Kein Laut außer dem gedämpften Brummen der Gebläse und dem lautsprecherverstärkten Atmen der Ringkämpfer.
    Farbreflexe huschten über Mollys Linsen, als die Männer einander umkreisten. Die Hologramme waren eine zehnfache Vergrößerung, so dass die Messer in den Händen der Männer knapp einen Meter lang waren. Das Messer wird wie ein Degen geführt, erinnerte sich Case: Finger um den Griff, Daumen
nach der Klinge ausgerichtet. Die Messer schienen sich eigenständig zu bewegen, glitten in ritueller Verspieltheit mit den Spitzen aneinander vorbei und durch die Passagen ihres Tanzes, während die Männer darauf warteten, dass einer von ihnen sich eine Blöße gab. Mollys erhobenes Gesicht war regungslos und glatt. Sie sah aufmerksam zu.
    »Ich hol uns was zu essen«, sagte Case. Sie nickte, in den Tanz der Messer versunken.
    Ihm gefiel es hier nicht.
    Er wandte sich um und ging nach hinten ins Dunkel. Es war zu finster. Zu still.
    Die Menge bestand hauptsächlich aus Japanern, wie er sah. Kein echtes Night-City-Volk. Facharbeiter aus den Arcologien. Das bedeutete wohl, dass die Arena Aufnahme in ein betriebliches Freizeitprogramm gefunden hatte. Flüchtig fragte er sich, wie es wohl wäre, sein Leben lang für eine einzige Zaibatsu zu arbeiten. Firmenwohnung, Firmenhymne, Firmenbegräbnis.
    Er musste fast um die ganze Kuppel herumgehen, bis er die Fressbuden entdeckte. Er kaufte Yakitori am Spieß und zwei große gewachste Pappbecher Bier. Als er zu den Hologrammen hinaufschaute, sah er, dass eine der Gestalten an der Brust blutete. Dicke, braune Soße sickerte die Spieße und über seine Knöchel hinab.
    Noch sieben Tage, dann würde er einstecken. Wenn er jetzt die Augen schloss, könnte er die Matrix sehen.
    Schatten zuckten zum Tanz der Hologramme.
    Dann kroch ihm die Furcht zwischen die Schultern. Kalter Schweiß lief ihm über die Brust. Die Operation hatte nicht funktioniert. Er war immer noch hier, immer noch Fleisch; niemand wartete auf ihn, weder eine auf die kreisenden Messer starrende Molly noch ein Armitage, der mit Tickets, neuem Pass und Geld im Hilton saß. Es war alles ein
Traum, eine jämmerliche Illusion … Heiße Tränen trübten seinen Blick.
    In einem Schwall roten Lichts spritzte Blut aus einer Halsschlagader. Jetzt grölte die Menge, sprang kreischend von den Sitzen – eine Gestalt sackte zusammen, das Hologramm verblasste flackernd …
    Würgender Brechreiz in der Kehle. Er schloss die Augen, atmete tief durch, öffnete sie wieder und sah Linda Lee vorbeigehen. Ihre grauen Augen waren blind vor Furcht. Sie trug noch immer den französischen Overall.
    Und weg. Im Dunkeln verschwunden.
    Reiner Reflex: Er ließ Bier und Huhn fallen und rannte ihr nach. Vielleicht rief er auch ihren Namen; er wusste es nicht, und er sollte es nie mehr erfahren.
    Das Nachbild eines haarfeinen, roten

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