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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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ein Glückspilz, Case. Solltest mir dankbar sein.«
    »Ach ja?« Case pustete geräuschvoll in seinen Kaffee.
    »Hast’ne neue Bauchspeicheldrüse gebraucht. Und die, die wir dir besorgt haben, befreit dich von einer gefährlichen Abhängigkeit.«
    »Danke, aber ich hab sie genossen, die Abhängigkeit.«
    »Gut. Du hast nämlich’ne neue.«
    »Wieso?« Case blickte von seinem Kaffee auf. Armitage lächelte.
    »An den Gefäßwänden deiner Hauptschlagadern kleben fünfzehn Giftkapseln, Case. Die lösen sich auf. Langsam, aber sicher. Sie enthalten ein Mykotoxin. Die Wirkung dieses Mykotoxins kennst du bereits. Ist das gleiche, das dir deine ehemaligen Auftraggeber in Memphis verabreicht haben.«
    Case blinzelte in die grinsende Maske.
    »Du hast Zeit, das zu erledigen, wofür ich dich anheure, Case, aber nicht mehr. Mach den Job, und ich kann dir ein Enzym spritzen, das den Haftkitt auflöst, ohne die Kapseln zu
öffnen. Anschließend brauchst du einen Blutaustausch. Wenn nicht, zerfallen die Kapseln, und du bist wieder da, wo ich dich gefunden habe. Du siehst also, Case, du brauchst uns. Du brauchst uns genauso dringend wie neulich, als wir dich aus der Gosse aufgelesen haben.«
    Case schaute zu Molly hinüber. Sie zuckte mit den Achseln.
    »Geh jetzt zum Lastenaufzug und bring die Kisten rauf, die da unten stehen.« Armitage reichte ihm den Magnetschlüssel. »Na los. Wird dir Spaß machen, Case. Ist wie Weihnachten.«
     
    Sommer im Sprawl. Die Menge im Einkaufszentrum wogte wie Gras im Wind hin und her, ein Feld aus Fleisch, in dem sich jähe Wirbel von Bedürfnissen und deren Befriedigung bildeten.
    Er saß im gedämpften Licht neben Molly auf dem Rand eines trockenen Betonbrunnens und rekapitulierte mit dem endlosen Strom der Gesichter die Abschnitte seines Lebens. Zuerst ein Kind mit verhangenem Blick, ein Straßenjunge mit locker baumelnden Armen, die Hände bereit; dann ein Teenager mit glattem, geheimnisvollem Gesicht hinter roten Brillengläsern. Case erinnerte sich an eine Schlägerei mit siebzehn auf einem Dach, einen stummen Kampf im rosigen Schein des Morgenrots über geodätischen Kuppeln.
    Er rutschte auf dem Beton herum, der sich durch den dünnen, schwarzen Jeansstoff rau und kalt anfühlte. Nichts hier erinnerte an den elektrischen Reigen auf der Ninsei. Hier galten andere Regeln, pulste im Geruch von Fast Food, Parfüm und frischem Sommerschweiß ein anderer Rhythmus.
    Und oben im Loft wartete sein Deck, ein Ono-Sendai-Cyberspace 7. Als sie den Raum verlassen hatten, war der Boden übersät von den abstrakten, weißen Styroporteilen der Verpackung, zerknüllter Plastikfolie und Aberhunderten von Styroporkügelchen. Der Ono-Sendai; der teuerste Hosaka-Computer
des nächsten Jahres; ein Sony-Monitor; ein Dutzend Disks mit Industriestandard-Eis; eine Braun-Kaffeemaschine. Armitage hatte nur so lange gewartet, bis Case jedes Teil für gut befunden hatte.
    »Wohin geht er?«, hatte Case von Molly wissen wollen.
    »Er steht auf Hotels. Große Hotels. Möglichst in Flughafennähe. Komm, wir gehn raus.« Sie schlüpfte in eine alte Armeeweste mit einem Dutzend eigentümlicher Taschen, zog den Reißverschluss zu und setzte eine riesige, schwarze Plastiksonnenbrille auf, die ihre verspiegelten Linsen völlig bedeckte.
    »Hast du von diesem Toxinscheiß gewusst?«, fragte er sie am Brunnen. Sie schüttelte den Kopf. »Glaubst du, es stimmt?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Kommt aufs Gleiche raus.«
    »Hast du’ne Ahnung, wie ich das rauskriegen kann?«
    »Nein«, sagte sie und gab ihm mit der rechten Hand ein Zeichen, den Mund zu halten. »So Zeug ist zu raffiniert, als dass es bei’nem Scan nachweisbar wäre.« Wieder ging der Finger hoch: Warte! »Und dir ist das doch eh ziemlich egal. Hab gesehen, wie du den Sendai gestreichelt hast. Mann, das war echt pornographisch.« Sie lachte.
    »Wie hat er’s denn bei dir angestellt? Womit hat er dich am Haken?«
    »Berufsehre, Baby, das ist alles.« Und wieder das Zeichen, still zu sein. »Gehn wir frühstücken, ja? Eier mit echtem Bacon. Wird dich vermutlich umbringen, weil du so lange den künstlichen Chiba-Krill gefressen hast. Ja, komm, wir fahren mit der U-Bahn nach Manhattan und ziehen uns’n richtiges Frühstück rein!«
     
    Leblose Neonröhren formten die Worte METRO HOLOGRAFIX in staubigen Versalien aus Glas. Case pulte an einem Stück Bacon herum, das zwischen seinen Vorderzähnen steckte. Er
hatte es aufgegeben, sie nach dem Wohin oder

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