Neuromancer-Trilogie
Rändern seiner Brille blitzte das Licht eines Tiffany-Baums aus Bronze und Buntglas auf, der auf dem Sideboard wuchs. Kumiko hätte liebend gern einen Blick auf die Marmorbüste geworfen, hinter der das Maas-Neotek-Gerät verborgen
war, aber sie zwang sich, in den Garten zu schauen. Der Schnee dort hatte die Farbe des Londoner Himmels angenommen.
»Wo ist Swain?«, fragte Sally.
»Der Boss ist außer Haus«, erklärte Petal.
Sally trat ans Sideboard und schenkte sich ein Glas Scotch aus einer wuchtigen Karaffe ein. Kumiko sah, wie Petal zusammenzuckte, als die Karaffe unsanft auf das polierte Holz zurückgestellt wurde. »Irgendeine Nachricht für mich?«
»Nein.«
»Kommt er heute Abend noch zurück?«
»Weiß ich nicht. Wollt ihr zu Abend essen?«
»Nein.«
»Ich hätte gern ein Sandwich«, sagte Kumiko.
Eine Viertelstunde später lag das Sandwich noch unberührt auf dem schwarzen Marmornachttisch, und Kumiko saß mitten auf dem riesigen Bett und hatte das Maas-Neotek-Gerät zwischen den bloßen Füßen. Sally hatte sie unten zurückgelassen, wo sie Swains Whiskey trank und in den grauen Garten hinausstarrte.
Nun griff sie sich das Gerät, und schon flackerte Colin am Fußende des Bettes auf und stellte sich scharf.
»Was von mir kommt, kann niemand hören«, sagte er und hob rasch den Finger an den Mund. »Und das ist auch gut so. Das Zimmer wird nämlich abgehört.«
Kumiko wollte schon etwas erwidern, nickte dann jedoch nur.
»Gut«, sagte er. »Kluges Kind. Hab zwei Gespräche für dich. Eins zwischen deinem Gastgeber und seinem Aufpasser, das andere zwischen deinem Gastgeber und Sally. Ersteres rund fünfzehn Minuten, nachdem du mich unten versteckt hattest. Hör zu.«
Kumiko schloss die Augen und hörte Eis in einem Whiskeyglas klirren.
»Wo ist denn unsere kleine Japse?«, fragte Swain.
»Schon im Bett«, sagte Petal. »Führt Selbstgespräche, die Kleine. Irgendwie komisch.«
»Was sagt sie denn?«
»Nicht viel eigentlich. Manche Leute tun das nun mal …«
»Was?«
»Selbstgespräche führen. Wollen Sie mal hören?«
»Herrgott, nein. Wo ist die reizende Miss Shears?«
»Unterwegs. Verdauungsspaziergang.«
»Sag Bernie nächstes Mal Bescheid. Er soll schauen, was sie so treibt bei diesen kleinen Spaziergängen.«
»Bernie!« Petal lachte. »Den würden wir in einer Kiste zurückkriegen.«
Jetzt lachte Swain. »Wär vielleicht auch nicht schlecht. Dann wären wir Bernard los, und die Messermieze hätte ihren berüchtigten Durst gestillt. Na ja, gieß uns noch mal ein!«
»Für mich nicht, danke. Ich geh zu Bett, wenn Sie mich nicht mehr brauchen.«
»Nein«, sagte Swain.
»Also«, erklärte Colin, als Kumiko die Augen aufmachte und ihn immer noch auf dem Bett sitzen sah, »in deinem Zimmer ist eine stimmaktivierte Wanze. Der Aufpasser hat die Aufzeichnung abgespielt und dich mit mir sprechen hören. Unsere zweite Aufnahme ist interessanter. Dein Gastgeber sitzt bei seinem zweiten Whiskey. Auftritt Sally.«
»Hallo«, hörte sie Swain sagen. »Bisschen frische Luft geschnappt?«
»Leck mich.«
»Du weißt doch«, sagte Swain, »das war alles nicht meine Idee. Vielleicht geht das endlich mal rein in deinen Schädel. Mich haben sie doch auch an den Eiern.«
»Weißt du, Roger, manchmal bin ich direkt versucht, dir zu glauben.«
»Tu’s doch. Das würde alles viel einfacher machen.«
»Ein andermal wieder würd ich dir am liebsten die Kehle durchschneiden.«
»Meine Liebe, dein Problem ist, dass du nie gelernt hast zu delegieren. Du willst immer noch alles selber machen.«
»Hör zu, du Arschloch, ich weiß, wo du herkommst, ich weiß, wie du hierhergekommen bist, und es ist mir scheißegal, wie tief du Yanaka oder sonstwem in den Arsch gekrochen bist. Sarakin! «
Dieses Wort hatte Kumiko noch nie gehört.
»Die haben sich wieder gemeldet«, sagte Swain im Plauderton. »Sie ist noch an der Küste, aber es sieht so aus, als würde sie bald aufbrechen. Nach Osten höchstwahrscheinlich. Zurück in dein altes Territorium. Meiner Meinung nach das Beste, was uns passieren kann. Das Haus ist unmöglich. So viele Sicherheitseinrichtungen auf dem Gelände, da käme nicht mal eine mittlere Armee durch.«
»Willst du mir immer noch einreden, das ist’ne reine Entführung, Roger? Und dass sie nur ein Lösegeld erpressen wollen?«
»Nein. Von Freikaufen war nicht die Rede.«
»Und warum heuern sie dann nicht einfach diese Armee an? Sie brauchen sich ja nicht mit’ner
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