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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Leder mit pechschwarzen Perlen, ein Stil, den Slick aus seiner Zeit bei den Deacon Blues kannte. Vor allem wegen der Perlen schätzte Slick ihn auf etwa dreißig; er selbst war ebenfalls um die dreißig.
    Als Slick durch die Tür ins gleitende Licht von zehn 100-Watt-Birnen trat, starrte Gentry ihn mit einem Blick an, der ihn deutlich spüren ließ, dass er ein weiteres Hindernis zwischen
Gentry und der Gestat war. Er stellte gerade eine doppelte Motorradsatteltasche auf seinen langen Stahltisch. Sie sah schwer aus.
    Slick hatte Dachplatten herausgetrennt, Streben eingebaut, wo nötig, die Öffnungen mit Kunststofftafeln verschlossen und die so entstandenen Dachfenster mit Silikon abgedichtet. Dann war Gentry mit Mundschutz, Spritzpistole und fünfundsiebzig Litern weißer Latexfarbe angekommen und hatte ohne Staub zu wischen oder zu putzen eine dicke Farbschicht auf den ganzen Dreck und den harten Taubenkot geklatscht, alles sozusagen festgeklebt und ein zweites Mal drübergesprüht, bis es mehr oder weniger weiß war. Er strich alles bis auf die Dachfenster, dann machte Slick sich daran, seine Ausrüstung mit einer Winde vom Factoryboden hochzuhieven: eine halbe Wagenladung Computer, Cyberspace-Decks, einen riesigen alten Holoprojektionstisch, bei dem die Winde beinahe den Geist aufgegeben hätte, Effektgeneratoren, Dutzende von Wellplastikboxen mit den abertausend Fiches, die Gentry auf seiner Suche nach der Gestat gesammelt hatte, Hunderte Meter Glasfaserkabel auf bunten neuen Plastikspulen, die für Slick nach Industriediebstahl rochen. Und Bücher, alte Bücher mit Deckeln aus leinenbespanntem Karton. Slick hatte gar nicht gewusst, wie schwer Bücher waren. Sie hatten einen traurigen Geruch an sich, alte Bücher.
    »Ziehst’n paar Ampere mehr, seit ich weg bin«, meinte Gentry, während er die erste der beiden Taschen aufmachte. »In deinem Zimmer. Neues Heizgerät?« Er durchwühlte hektisch den Inhalt der Tasche, als suchte er etwas, was er brauchte, aber verlegt hatte. Dem war aber nicht so, wie Slick wusste. Es kam daher, dass plötzlich jemand in seinem Zimmer stand, auch wenn er den Betreffenden kannte.
    »Ja, und ich muss auch im Lager wieder heizen. Ist sonst zu kalt zum Arbeiten.«

    »Nein«, sagte Gentry und schaute abrupt auf, »das ist kein Heizgerät in deinem Zimmer. Die Stromstärke stimmt nicht.«
    »Tja.« Slick grinste – nach der Theorie, das Grinsen würde Gentry suggerieren, er sei geistig minderbemittelt und leicht einzuschüchtern.
    »Tja was, Slick Henry?«
    »Es ist kein Heizgerät.«
    Gentry ließ die Tasche zuschnappen. »Entweder du sagst mir, was es ist, oder ich stell dir den Strom ab.«
    »Weißt du, Gentry, wenn ich nicht hier wäre, hättest du viel weniger Zeit für deine … Sachen.« Slick zog vielsagend die Brauen hoch und machte eine Kopfbewegung zu dem großen Projektionstisch. »Also, Folgendes, ich hab zwei Leute bei mir wohnen.« Er sah, wie Gentry starr wurde. Die hellen Augen weiteten sich. »Aber du wirst nichts von den beiden sehen und hören, absolut gar nichts.«
    »Nein«, sagte Gentry schneidend und kam um den Tisch herum, »weil du sie nämlich umgehend rauswirfst , nicht wahr?«
    »Zwei Wochen im Höchstfall.«
    »Schaff sie weg. Sofort. « Gentrys Gesicht war nur ein paar Zentimeter entfernt, und Slick roch den säuerlichen Atem der Erschöpfung. »Sonst kannst du gleich mitgehen.«
    Slick brachte zehn Kilo mehr auf die Waage als Gentry, größtenteils Muskeln, aber davon hatte sich Gentry nie einschüchtern lassen. Ihm schien nicht klar zu sein, dass ihm was passieren konnte, oder es war ihm schnuppe. Das war auf seine Weise ebenfalls einschüchternd. Gentry hatte ihn einmal heftig ins Gesicht geschlagen, und Slick hatte irgendwie verlegen auf den riesigen Chrom-Molybdän-Schraubenschlüssel in seiner eigenen Hand gestarrt.
    Gentry stand stocksteif da und begann zu zittern. Slick war ziemlich sicher, dass Gentry nicht schlief, wenn er nach Boston
oder New York fuhr. In Factory schlief er meist auch nur ziemlich wenig. Wenn er zurückkam, ging er auf dem Zahnfleisch; der erste Tag war immer der schlimmste.
    »Kuck mal«, sagte Slick wie zu einem Kind, das kurz davor ist, in Tränen auszubrechen, und zog das Bestechungsgeschenk von Kid Afrika aus der Tasche. Er hielt den durchsichtigen Zipper-Beutel hoch, so dass Gentry ihn sehen konnte: blaue Derms, pinkfarbene Tabletten, eine scheußlich aussehende Opiumwurst in rotem Cellophan, Wiz-Kristalle wie dicke

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