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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Fehlzündungen lassen die schwarzen Hunde des Alten loskläffen, süßlicher Fuselabgasgeruch, die vibrierende Maschine zwischen seinen Beinen.
    Nun betrachtete sie ihn, wie er da neben seinen Koffern stand, und konnte nicht mehr so recht nachvollziehen, weshalb sie mit ihm tags darauf auf der Skoda losgefahren war, Richtung Cleveland. Die Skoda hatte ein kaputtes kleines Radio, das nicht zu hören war, wenn die Maschine lief, sondern nur nachts auf einem Feld an der Straße, ganz leise. Der
Tuner war im Arsch, und man kriegte nur einen Sender rein, Geistermusik von einem einsamen Antennenmast in Texas, Steel-Guitar, die ganze Nacht hindurch mal lauter, mal leiser, und sie war feucht unter dem Druck seines Beins, und das steife, dürre Gras kitzelte sie im Nacken.
    Prior stellte ihre blaue Tasche auf einen weißen Karren mit gestreiftem Dach. Mona stieg ebenfalls auf und hörte leise spanische Stimmen aus dem Kopfhörer des kubanischen Fahrers. Dann verstaute Eddy die Krokokoffer und stieg mit Prior zusammen auf. In strömendem Regen fuhren sie aufs Rollfeld hinaus.
     
    Das Flugzeug hatte keine Ähnlichkeit mit denen in den Stims. Innen sah es nicht so aus wie ein langer, luxuriöser Bus mit vielen Sitzen. Es war ein kleines, schwarzes Ding mit spitzen, dünnen Tragflächen und Fenstern, die den Eindruck erweckten, als würde es schielen.
    Sie stieg ein Metalltreppchen empor, und da war ein Raum mit vier Sitzplätzen, der überall, auch an Wänden und Decke, mit grauem Teppich bezogen war. Alles war sauber und vornehm grau. Eddy stieg hinter ihr ein und nahm Platz, als täte er das jeden Tag, lockerte die Krawatte und streckte die Beine aus. Prior drückte auf ein paar Tasten neben der Tür. Sie schloss sich mit einem Zischen.
    Mona sah durch die schmalen, triefenden Fenster auf die Rollfeldscheinwerfer hinaus, die sich im nassem Beton spiegelten.
    Hergekommen sind wir mit der Bahn, dachte sie. Von New York nach Atlanta, dann umsteigen.
    Das Flugzeug vibrierte. Sie hörte den Rumpf knarren, als es zum Leben erwachte.
     
    Zwei Stunden später erwachte sie kurz in der abgedunkelten Kabine, geborgen im endlosen Gebrumm des Jets. Eddy schlief
mit halb offenem Mund. Vielleicht schlief Prior ebenfalls, vielleicht hatte er aber auch nur die Augen geschlossen. Sie konnte es nicht sagen.
    Schon wieder halb in einen Traum versunken, an den sie sich am Morgen nicht mehr erinnern würde, hörte sie die Musik des Radiosenders aus Texas, wehende Steel-Akkorde, langgezogen wie dumpfer Schmerz.

9
    Underground
    Jubilee und Bakerloo, Circle und District. Fröstelnd betrachtete Kumiko die kleine, folienbeschichtete Karte, die Petal ihr gegeben hatte. Die Kälte schien aus dem Beton des Bahnsteigs durch ihre Stiefelsohlen zu kriechen.
    »Ist so verdammt alt«, sagte Sally Shears in Gedanken. In ihrer Brille spiegelte sich eine gewölbte, mit weißen Keramikfliesen verkleidete Wand.
    »Wie bitte?«
    »Die U-Bahn.« Ein neuer Schal mit Schottenmuster war unter Sallys Kinn verknotet, und ihr Atem dampfte weiß, wenn sie sprach. »Weißt du, was mich nervt? Dass man sie in den Bahnhöfen manchmal neue Fliesen draufkleben sieht, ohne dass sie die alten vorher abmachen. Oder wenn sie ein Loch in die Wand hauen, um an irgendwelche Kabel ranzukommen, und man dann die ganzen verschiedenen Fliesenschichten sehen kann...« kann …«
    »Und?«
    »Wird immer enger hier unten, nicht? Ist wie Arterienverkalkung.«
    »Ja«, meinte Kumiko zweifelnd, »ich verstehe … Die Jungs dort, Sally, was hat es mit ihrer Kluft auf sich, bitte?«
    »Jacks. Sogenannte Jack Draculas.«

    Die vier Jack Draculas kauerten wie Raben auf dem Bahnsteig gegenüber. Sie trugen unauffällige schwarze Regenmäntel und blankgeputzte schwarze Kampfstiefel, die bis zum Knie geschnürt waren. Als sich einer von ihnen einem anderen zuwandte, sah Kumiko, dass sein Haar zu einem Zopf geflochten war, der von einer kleinen schwarzen Schleife zusammengehalten wurde.
    »Haben sie aufgehängt«, sagte Sally, »nach dem Krieg.«
    »Wen?«
    »Jack Dracula. Nach dem Krieg gab’s’ne Zeit lang öffentliche Hinrichtungen. Den Jacks gehst du besser aus dem Weg. Die hassen Ausländer.«
    Kumiko hätte gern Colin dazu befragt, aber das Maas-Neotek-Gerät steckte hinter einer Marmorbüste in dem Zimmer, in dem Petal ihnen das Essen servierte, und dann kam auch schon der Zug, der sie mit dem archaischen Lärm von Rädern auf Stahlschienen verblüffte.
     
    Sally Shears vor dem Flickenteppich

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