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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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mittleren zu begnügen, oder? Können doch die Söldner holen. Die Abwerber. So’n harter Brocken ist sie nun auch wieder nicht, nicht härter als irgendein Starforscher. Können doch die verdammten Profis holen …«
    »Zum hundertsten Mal, genau das wollen sie nicht. Sie wollen dich.«
    »Roger, was haben sie denn nun gegen dich in der Hand, hm? Ich meine, weißt du denn wirklich nicht, was sie gegen mich in der Hand haben?«

    »Nein. Aber nach dem, was sie über mich haben, würde ich eine Vermutung wagen.«
    »Nämlich?«
    »Alles.«
    Keine Antwort. »Da ist noch was zur Sprache gekommen heute«, sagte er. »Sie wollen, dass es so aussieht, als wäre sie ausgeschaltet worden.«
    »Was?«
    »Es soll so aussehen, als hätten wir sie umgebracht.«
    »Und wie sollen wir das anstellen?«
    »Sie liefern uns eine Leiche.«
    »Ich nehme an«, erläuterte Colin, »dass sie das Zimmer kommentarlos verlassen hat. Das Gespräch endet hier.«

10
    Die Gestalt
    Eine Stunde lang checkte er die Lager der Säge durch, dann schmierte er sie noch einmal. Es war schon zu kalt zum Arbeiten; er musste sich beeilen und den Raum beheizen, in dem er die anderen aufbewahrte, die Schergen, den Schinder und die Hexe. Schon das allein würde ausreichen, seine Abmachung mit Gentry ins Wanken zu bringen, aber es verblasste neben dem Problem, wie er Gentry seine Vereinbarung mit Kid Afrika und die Anwesenheit zweier Fremder in Factory erklären sollte. Gentry ließ nicht mit sich reden. Der Saft gehörte ihm, weil er derjenige war, der ihn der Fission Authority abluchste; ohne Gentrys allmonatliche Vorstöße an der Konsole, das Ritual, mit dem er die Behörde davon überzeugte, dass Factory ganz woanders war und ihre Rechnung bezahlte, gäbe es keinen Strom.
    Gentry war überhaupt ein komischer Kauz, dachte Slick und spürte, wie seine Knie knackten, als er aufstand und die
Fernsteuerung für den Richter aus seiner Jackentasche zog. Gentry war überzeugt, dass der Cyberspace eine Gestalt hatte, eine allumfassende Form. Nun war das zwar nicht die ausgefallenste Idee, von der Slick je gehört hatte, aber Gentry war geradezu besessen von dem Glauben, die Gestalt sei das einzig Wichtige. Sie zu erfassen, war Gentrys Gral.
    Slick hatte sich mal ein Net/Knowledge-Stim über die Gestalt des Universums reingezogen. Seiner Meinung nach umfasste das Universum alles, was existierte; wie konnte es da eine Gestalt haben? Und wenn es eine Gestalt hatte, dann musste doch wohl etwas drumherum sein, worin es eine Gestalt haben konnte. Und wenn dieses Drumherum wirklich existierte, war es dann nicht auch ein Bestandteil des Universums? Das war genau so ein Thema, über das man mit Gentry besser nicht diskutierte, denn Gentry schaffte es, dass man sich dabei heillos in seinen eigenen Gedanken verhedderte. Aber Slick hielt den Cyberspace ohnehin nicht für so etwas wie ein Universum; er war bloß eine Form der Darstellung von Daten. Die Fission Authority hatte immer wie eine große rote Aztekenpyramide ausgesehen, aber dazu bestand keine zwingende Notwendigkeit; wenn die FA wollte, konnte sie ein x-beliebiges Aussehen annehmen. Große Firmen hatten Copyright-geschützte Darstellungen. Wie konnte man da auf die Idee kommen, die Matrix insgesamt hätte eine besondere Gestalt? Und selbst wenn es tatsächlich so war, warum sollte es dann etwas bedeuten?
    Er schaltete die Fernsteuerung ein. Zehn Meter von ihm entfernt surrte und erbebte der Richter.
    Slick Henry hasste den Richter. Das war es, was die Kunstfreaks einfach nicht begreifen wollten. Aber es bedeutete ja nicht, dass er nicht froh war, das Ding gebaut zu haben, den Richter aus sich rausgeholt zu haben, nach draußen , wo er ihn sehen und im Auge behalten und sich endlich auch irgendwie
von der Idee, die er verkörperte, frei machen konnte, aber das war doch etwas ganz anderes, als ihn zu mögen .
    Fast vier Meter groß, halb so breit an den Schultern und kopflos stand der Richter da und vibrierte in seinem Flickenpanzer, der eine bestimmte Rostfarbe hatte, wie die von abertausend Händen blankpolierten Griffe einer alten Schubkarre. Er hatte eine Methode gefunden, diese Oberfläche mit Chemikalien und Schleifmitteln zu erzeugen, und den Richter größtenteils derart bearbeitet; die alten Teile aus Schrott jedenfalls, nicht aber die kalten Zähne der runden Sägeblätter und die spiegelnden Gelenkflächen. Der Rest des Richters hatte jedoch diese Farbe, das Finish eines uralten Werkzeugs, das noch im

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