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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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stolpern sah.
    »Mir ist der Absatz abgebrochen …« Sie humpelte in das Geschäft zurück und ließ sich neben Colin auf dem Rosshaarsofa nieder. Die Verkäuferin eilte herbei, um ihr behilflich zu sein.
    »Schnell runter mit den Dingern«, riet Colin, »bevor Dickie seine Pakete absetzt.«
    Sie öffnete den Reißverschluss des Stiefels mit dem abgebrochenen Stöckel, dann den anderen und zog beide aus. Anstelle der chinesischen Rauhseidenstrümpfe, die sie normalerweise im Winter trug, hatte sie nun dünne schwarze Zehensocken aus Gummi mit geriffelten Plastiksohlen an. Sie wäre Dick beinahe zwischen den Beinen durchgelaufen, als sie aus der Tür schoss, rempelte ihn stattdessen jedoch mit der Schulter am Oberschenkel an, als sie sich an ihm vorbeizwängte, so dass er in eine Auslage mit facettierten Kristallkaraffen fiel.

    Und dann war sie frei und tauchte ins Touristengewühl auf der Portobello Road ein.
     
    Ihre Füße waren eiskalt, doch die geriffelten Plastiksohlen waren ungemein griffig – aber nicht auf Eis, rief sie sich ins Gedächtnis, als sie sich mit nassem Splitt an den Händen von ihrem zweiten Sturz aufrappelte. Colin hatte sie durch diese enge Passage aus rußgeschwärztem Backstein geführt.
    Sie packte das Gerät. »Wohin jetzt?«
    »Da lang«, sagte er.
    »Ich muss ins Rose and Crown«, erinnerte sie ihn.
    »Sei vorsichtig. Dickie wird mittlerweile Swains Leute hergeholt haben, ganz zu schweigen von der Treibjagd, die Swains Freund von der Special Branch veranstalten kann, wenn er drum gebeten wird. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er nicht drum gebeten worden ist …«
     
    Mit Colin an der Seite betrat sie das Rose and Crown durch einen Nebeneingang, froh über das anheimelnd schummrige Licht und die wohlige Wärme, die zentrale Elemente dieser Trinkhöhlen zu sein schienen. Sie staunte über die ganze Polsterung von Wänden und Sitzen, die schweren Vorhänge. Wären die Farben und Stoffe weniger schmuddelig gewesen, hätte das Lokal nicht so behaglich gewirkt. Pubs, dachte sie, waren ein extremer Ausdruck der britischen Einstellung zu Gomi .
    Auf Colins Drängen hin bahnte sie sich einen Weg durch die Trauben der Trinker am Tresen. Sie hoffte, Tick dort zu finden.
    »Was darfs denn sein, Schätzchen?«
    Sie schaute zu dem breiten Gesicht hinterm Tresen hoch – knalliger Lippenstift, Wangenrouge, blonde Haare. »Verzeihen Sie«, begann Kumiko, »ich möchte gern Mr. Bevan sprechen …«

    »Für mich noch’nen Pint Lager , Alice«, sagte jemand und klatschte drei Zehn-Pfund-Münzen hin. Alice betätigte einen langen weißen Keramikhahn und füllte ein Glas mit hellem Bier. Sie stellte das Glas auf den zerkratzten Tresen und fegte das Geld in eine klimpernde Kasse.
    »Da will jemand mit dir reden, Bevan«, sagte Alice, als der Mann sein Glas hob.
    Kumiko blickte in ein gerötetes, zerfurchtes Gesicht. Die Oberlippe des Mannes war verkürzt und erinnerte Kumiko an Kaninchen, obwohl Bevan groß war, fast so groß wie Petal. Und Kaninchenaugen hatte er auch: rund, braun, wenig Weiß. »Mit mir?« Sein Akzent erinnerte sie an den von Tick.
    »Sag ja«, riet Colin. »Dem Burschen ist schleierhaft, warum eine kleine Japse in Gummisocken in die Kneipe kommt und nach ihm sucht.«
    »Ich möchte zu Tick.«
    Bevan betrachtete sie ausdruckslos über den Rand seines erhobenen Glases hinweg. »Tut mir leid«, sagte er, »aber ich kenn niemand, der so heißt.« Er trank.
    »Sally hat gesagt, ich soll zu Ihnen gehen, wenn Tick nicht da ist. Sally Shears …«
    Bevan verschluckte sich an seinem Lager, und in den Augen war eine Spur mehr Weiß zu sehen. Hustend stellte er das Glas auf den Tresen und zog ein Taschentuch aus dem Mantel. Er schneuzte sich und wischte sich den Mund ab.
    »In fünf Minuten hab ich Dienst«, sagte er. »Gehen wir lieber nach hinten.«
    Alice klappte einen an Scharnieren befestigten Teil des Tresens hoch; Bevan steuerte Kumiko mit kleinen, flatternden Bewegungen seiner großen Hände durch, wobei er einen raschen Blick über die Schulter zurückwarf. Er führte sie durch einen schmalen Gang, der von dem Bereich hinter dem Tresen abging. Die alten, unregelmäßigen Backsteinwände waren
von einer dicken Schicht schmutziggrüner Farbe überzogen. Neben einem zerbeulten Blecheimer mit nach Bier stinkenden Frotteelappen blieb er stehen.
    »Wird dir leidtun, wenn du mich reinlegen willst, Mädel«, drohte er. »Sag schon, was willst du von Tick?«
    »Sally ist in Gefahr. Ich

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