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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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muss Tick finden und es ihm sagen.«
    »Verdammte Scheiße«, brummte der Barkeeper. »Versetz dich mal in meine Lage …«
    Colin betrachtete den Eimer mit den triefenden Lappen und rümpfte die Nase.
    »Ja?«, sagte Kumiko.
    »Wenn du’n Polizeispitzel bist und ich dich zu diesem Tick schicke, mal angenommen, ich kenne ihn und er hat irgendwas ausgefressen, dann wird er mich fertigmachen, nicht? Aber wenn du keiner bist, dann wird diese Sally mich wahrscheinlich fertigmachen, wenn ich dich nicht zu ihm schicke, verstehst du?«
    Kumiko nickte. »Zwischen Baum und Borke.« Das war eine Redewendung, die sie von Sally gehört hatte und sehr poetisch fand.
    »So ungefähr«, sagte Bevan und sah sie merkwürdig an.
    »Helfen Sie mir. Sie ist in größter Gefahr.«
    Er strich sich mit der Hand über das schüttere, rotblonde Haar.
    »Sie werden mir helfen«, hörte sie sich sagen und spürte, wie ihr Gesicht zur kalten Maske ihrer Mutter erstarrte. »Sagen Sie mir, wo ich Tick finden kann.«
    Der Barkeeper schien zu frösteln, obwohl es in dem Gang übermäßig heiß war; eine schwüle Hitze, in der sich Biergeruch mit dem scharfen Gestank von Desinfektionsmitteln mischte. »Kennst du dich aus in London?«
    Colin zwinkerte ihr zu. »Ich finde mich schon zurecht«, sagte sie.

    »Bevan«, sagte Alice, die den Kopf um die Ecke steckte, »die Schmiere.«
    »Polizei«, übersetzte Colin.
    »Margate Road, SW2«, sagte Bevan. »Hausnummer weiß ich nicht, Telefonnummer auch nicht.«
    »Er soll dich jetzt zum Hinterausgang bringen«, sagte Colin. »Das sind keine gewöhnlichen Polizisten.«
     
    Kumiko würde die endlose U-Bahn-Fahrt durch die Stadt nie vergessen. Colin hatte sie vom Rose and Crown zur Holland-Park-Station und dort hinabgeführt, wobei er ihr erklärte, dass ihr Mitsu-Bank-Chip jetzt wertlos war, und schlimmer noch: Wenn sie ihn für ein Taxi oder irgendwelche Einkäufe benutzte, würde ein Special-Branch-Operator die Transaktion wie einen Magnesiumblitz im Cyberspace-Gitter aufleuchten sehen. Aber sie müsse Tick finden, erklärte sie ihm; sie müsse in die Margate Road. Er runzelte die Stirn. Nein, sagte er, sie solle warten, bis es dunkel werde; nach Brixton sei es nicht weit, aber auf der Straße sei es jetzt am helllichten Tag zu gefährlich, weil Swain die Polizei auf seiner Seite habe. Aber wo sollte sie sich bis dahin verstecken? Sie hatte nur wenig Geld; die Vorstellung, mit Bargeld zu zahlen, mit Münzen und Scheinen, war kurios und absolut fremd.
    »Hier«, sagte er, als sie mit dem Lift in die Holland-Park-Station hinunterfuhr. »Für den Preis einer Fahrkarte.«
    Die klobigen, silbernen Züge. Die weichen, alten, graugrünen Sitze. Und warm, herrlich warm; noch eine Höhle, hier im Reich unablässiger Bewegung …

30
    Die Entführung
    Der Flughafen saugte eine benommene Danielle Stark durch einen pastellfarbenen Korridor fort, der von Reportern, Kameras und elektronisch verstärkten Augen gesäumt wurde, während Porphyre und drei Net-Sicherheitsleute Angie durch den sich schließenden Ring der Journalisten schleusten, ein choreographiertes Ritual, bei dem es mehr um dramatische Bildwirkung als um Personenschutz ging. Sämtliche Anwesenden waren bereits einer Überprüfung durch den Sicherheitsdienst und die PR-Abteilung unterzogen worden.
    Dann war sie mit Porphyre in einem Expresslift allein, unterwegs zum Hubschrauberlandeplatz, den Net auf dem Dach des Terminals unterhielt.
    Als sich die Türen zu der taghell erleuchteten, von Regenböen gepeitschten Betonfläche öffneten, wo ein neues Trio von Sicherheitsleuten in übergroßen, leuchtend orangenen Parkas bereitstand, erinnerte sich Angie an ihren ersten Besuch im Sprawl, als sie mit Turner per Bahn aus Washington gekommen war.
    Einer der orangenen Parkas führte sie über die blitzblanke Betonfläche zu dem wartenden Hubschrauber, einem großen, zweirotorigen Focker in schwarzem Chrom. Porphyre stieg als Erster das skelettartige, mattschwarze Treppchen hinauf. Sie folgte ihm, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    In Angie war eine neue Entschlossenheit gereift. Sie hatte sich vorgenommen, Hans Becker über seinen Pariser Agenten zu kontaktieren. Continuity kannte die Nummer. Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen. Auch in Bezug auf Robin würde sie etwas unternehmen; er wartete schon im Hotel, wie sie wusste.
    Der Helikopter wies sie an, die Sicherheitsgurte anzulegen.

    Als sie abhoben, war es so gut wie still in der schalldichten Kabine. Sie

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