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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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nicht weiß, weil ich’s nicht wissen kann. Wenn du’s wüsstest, Mann, und
es mir sagen würdest, würd ich’s trotzdem nicht wissen. Ist fest in mir eingebaut. Jemand anders muss es rausfinden und herbringen, während du mit der Flatline das Eis durchbrichst und das Innenleben durcheinanderbringst.«
    »Was passiert dann?«
    »Danach existiere ich nicht mehr. Ich vergehe.«
    »Hätt ich nichts dagegen.«
    »Ist mir klar. Aber pass lieber auf, Case! Meine … äh … andere Gehirnhälfte ist uns auf der Spur, wie’s scheint. Ein brennender Busch gleicht dem andern. Und Armitage ist auch bald so weit.«
    »Was soll das heißen?«
    Aber der getäfelte Raum faltete sich dutzendfach in unmöglichen Winkeln und purzelte wie ein Origami-Kranich in den Cyberspace davon.

15
    »Willst du meinen Rekord brechen, Mann?«, fragte die Flatline. »Warst schon wieder hirntot, fünf Sekunden.«
    »Mach weiter!«, sagte Case und drückte den Simstim-Schalter.
    Sie kauerte im Dunkeln, die Hände auf rauem Beton.
    CASE CASE CASE CASE. Die Digitalanzeige blinkte seinen Namen in alphanumerischen Zeichen. Wintermute machte sie auf die Verbindung aufmerksam.
    »Na prima.« Sie ließ sich auf die Fersen zurücksinken, rieb sich die Hände und knackte mit den Fingern. »Was hat dich aufgehalten?«
    ZEIT MOLLY ZEIT JETZT.
     
    Sie drückte die Zunge fest gegen die unteren Vorderzähne. Einer bewegte sich leicht und aktivierte ihre Mikrokanalverstärker.
Der ungeordnete Strom der Photonen durch die Dunkelheit wurde in einen Elektronenfluss umgewandelt. Der Beton ringsumher zeichnete sich gespenstisch bleich und körnig ab. »Okay, Schätzchen. Es kann losgehen.«
    Ihr Versteck erwies sich als eine Art Wartungsschacht. Sie krabbelte durch eine verzierte Gittertür aus angelaufenem Messing hinaus.
    Das wenige, das er von ihren Armen und Händen sah, verriet ihm, dass sie wieder den Polykarbonatdress trug. Unter dem Kunststoff fühlte er das vertraute Spannen von dünnem Leder. Unter ihrem Arm steckte etwas in einem Halfter oder Gurt. Sie richtete sich auf, öffnete den Reißverschluss des Anzugs und berührte das geriffelte Plastik eines Pistolengriffs.
    »He, Case«, sagte sie, fast ohne die Worte zu artikulieren. »Hörst du mich? Ich erzähl dir’ne Geschichte … Hab mal’nen Freund gehabt. Erinnerst mich irgendwie an ihn …« Sie drehte sich um und warf einen Blick in den Korridor. »Johnny hieß er.«
    Dutzende von Museumsvitrinen säumten den niedrigen, gewölbten Korridor, altertümliche, braune Holzschaukästen mit einer Glasfront. Sie wirkten recht plump vor den organisch geschwungenen Korridorwänden, als wären sie hier einmal zu einem längst vergessenen Zweck aufgestellt worden. In Abständen von zehn Metern saßen weiße Lichtkugeln auf matten Messingträgern. Der Boden war uneben, und als Molly sich durch den Gang in Bewegung setzte, stellte Case fest, dass Hunderte kleiner Teppiche und Läufer kunterbunt ausgelegt waren. An manchen Stellen gleich sechsfach, so dass der Boden ein weiches Patchwork aus handgewebter Wolle war.
    Molly beachtete die Vitrinen und ihren Inhalt kaum. Das nervte ihn. Er musste sich mit ihren gelangweilten Blicken begnügen.
Sie zeigten ihm Tonscherben, alte Waffen, einen dicht mit rostigen Nägeln beschlagenen und daher nicht erkennbaren Gegenstand, ausgefranste Gobelinfragmente …
    »Mein Johnny, weißt du, das war ein cleverer, echt scharfer Typ. Hat als Datendepot auf der Memory Lane angefangen – mit Chips im Kopf, auf denen er gegen Bezahlung Daten versteckt hat. In der Nacht, als ich ihn kennengelernt habe, hatte er die Yaks auf dem Hals. Ich hab mich um seinen Killer gekümmert. Hatte mehr Glück als Verstand, aber ich hab ihn erledigt. Danach wurde es richtig schön kuschelig, Case.« Ihre Lippen bewegten sich kaum. Er spürte, wie sie die Worte formulierte, und brauchte sie nicht erst zu hören. »Wir sind mit’nem Quanteninterferometer an seine Chips rangegangen, so dass wir die Herkunft der gespeicherten Daten erkennen konnten. Haben alles auf Band aufgenommen und angefangen, ausgewählte Kunden, Exkunden, unter Druck zu setzen. Ich war Abkassiererin, Bodyguard, Wachhund. War echt glücklich. Schon mal glücklich gewesen, Case? Er war mein Kerl. Wir haben zusammengearbeitet. Als Partner. Ich war vielleicht acht Wochen aus dem Puppenhaus raus, als ich ihn kennengelernt hab …« Sie machte eine Pause, bog vorsichtig um eine enge Kurve und ging weiter. Wieder glänzende

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