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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Mutter Gottes«, sagte die Flatline.
    »Ich seh mal nach Molly«, sagte Case und schaltete auf Simstim.
     
    Freifall. Ein Gefühl, als ob man in kristallklares Wasser tauchte. Sie sank-stieg durch eine weite Röhre aus kanneliertem Mondbeton, die alle zwei Meter von weißen Neonringen beleuchtet war.
    Die Verbindung war einseitig. Er konnte nicht mit ihr sprechen.
    Er schaltete zurück.
     
    »Mann, ist das’ne tückische Software. Das Schärfste seit Brot in Scheiben. Das verdammte Ding ist unsichtbar . Hab grade zwanzig Sekunden an der kleinen, pinkfarbenen Box vier Sprünge links vom T-A-Eis gemietet. Hab mir angeschaut, was von uns zu sehen ist. Gar nix. Wir sind gar nicht da.«
    Case suchte die Matrix rings um das Tessier-Ashpool-Eis ab und fand das pinkfarbene Gebilde, eine normale, kommerzielle Einheit. Er rückte per Tastendruck näher heran. »Vielleicht funktioniert’s nicht richtig.«
    »Kann sein, aber das glaub ich nicht. Unser Baby ist vom Militär. Und neu. Wird einfach nicht registriert. Falls doch, dann als’ne Art chinesischer Schleichangriff, aber bis jetzt hat überhaupt niemand was von uns mitgekriegt. Womöglich nicht mal die Jungs in der Straylight.«
    Case beobachtete die blanke Mauer, die Straylight abschirmte. »Tja«, sagte er, »das ist’n Vorteil, stimmt’s?«

    »Vielleicht.« Etwas Gelächterartiges kam von der Konstruktion. Case zuckte bei dieser Empfindung zusammen. »Hab unsern Kuang 11 noch mal durchgecheckt, Junge. Ist wirklich gutmütig, solange du am Hebel sitzt. Richtig freundlich und hilfsbereit. Spricht sogar toll Englisch. Schon mal was von’nem langsamen Virus gehört?«
    »Nee.«
    »Ich schon. Einmal. War damals nur so’ne Idee. Aber genau darum handelt’s sich bei dem guten, alten Kuang. Es bohrt und frisst sich nicht rein. Wir gehen gewissermaßen mit dem Eis ins Interface, und zwar so langsam, dass es nichts merkt. Die Front der Kuang-Logik pirscht sich sozusagen ans Ziel an und mutiert, wird haargenau wie die Eisstruktur. Dann koppeln wir an, und die Hauptprogramme kommen zum Zug und fangen an, die Logik im Eis zu umgehen. Wir spielen Siamesischer Zwilling mit ihnen, bevor sie auch nur nervös werden.« Die Flatline lachte.
    »Wärste nur nicht so verdammt lustig heute, Mann. Deine Lache geht mir durch Mark und Bein.«
    »Schade«, sagte die Flatline. »So’ne alte Leiche wie ich braucht auch ihren Spaß.«
    Case drückte den Simstim-Schalter.
     
    Und rasselte in ein Durcheinander aus Metallteilen. Es roch staubig, und seine Handballen glitschten über schlüpfriges Papier. Hinter ihm krachte etwas scheppernd zusammen.
    »He«, sagte der Finne, »entspann dich’n bisschen.«
    Case lag der Länge nach ausgestreckt auf einem Haufen vergilbender Illustrierter. Im düsteren Schein von METRO HOLOGRAFIX strahlten ihm Mädchen entgegen, eine wehmütige Galaxis schöner weißer Zähne. Er blieb liegen, bis sein Herzschlag sich beruhigt hatte, und atmete den Geruch der alten Hefte ein.

    »Wintermute«, sagte er.
    »Ja«, meinte der Finne irgendwo hinter ihm, »du sagst es.«
    »Verpiss dich.« Case setzte sich auf und rieb sich die Handgelenke.
    »Komm schon.« Der Finne trat aus einer Art Nische in der Mauer aus Schrott. »So ist es besser für dich, Mann.« Er zog seine Partagas aus einer Jackentasche und zündete sich eine an. Der Geruch von kubanischem Tabak breitete sich im Laden aus. »Soll ich dir lieber als brennender Busch in der Matrix erscheinen? Du verpasst schon nichts da drin. Eine Stunde hier dauert für dich nur’n paar Sekunden.«
    »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass es mich vielleicht nervt, wenn du mir dauernd als jemand erscheinst, den ich kenne?«
    Case stand auf und klopfte hellen Staub von seiner schwarzen Jeans. Er wandte sich um und warf einen finsteren Blick zu den staubigen Schaufenstern und der geschlossenen Tür zur Straße. »Was ist da draußen? New York? Oder hört’s da einfach auf?«
    »Tja«, sagte der Finne, »ist wie mit dem Baum, weißt du? Er fällt im Wald um, aber vielleicht ist keiner da, der’s hört.« Er bleckte seine großen Vorderzähne und stieß eine Rauchwolke aus. »Kannst’nen Spaziergang machen, wenn du willst. Ist alles da. Zumindest alles, was du schon mal gesehn hast. Das hier ist Erinnerung, klar? Ich zapf dich an, sortier das Zeug und füttere dich wieder damit.«
    »Ich hab kein so gutes Gedächtnis«, sagte Case und sah sich um. Er betrachtete seine Hände, drehte sie um und versuchte

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