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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Vordereingang«, erklärte der Finne mit flatternden Rockzipfeln. »Wenn’s keine Konstruktion von mir wäre, dann befände sich dort, wo der Laden ist, das Haupttor, oben an der Freeside-Achse. Leider wird das Ganze nicht sehr detailliert sein, weil du keine Erinnerung daran hast. Bis auf das bisschen hier, das du von Molly kennst …«
    Case schaffte es, sich auszustrecken, begann jedoch sofort, sich schraubenartig in einer langen Spirale zu drehen.
    »Moment«, sagte der Finne. »Ich mach’nen Schnellvorlauf.«
    Die Wände verschwammen. Das schwindelerregende Gefühl einer rasenden Schussfahrt voraus, Farben, eine wilde Jagd um Ecken und durch enge Korridore. Einmal ein pechschwarzer Blitz, als sie durch eine mehrere Meter dicke Wand zu sausen schienen. »Hier«, sagte der Finne, »das isses.«
    Sie schwebten mitten in einem vollkommen quadratischen Raum, dessen Wände und Decke mit rechteckigen, dunklen Holzpaneelen getäfelt waren. Den Boden bedeckte ein quadratischer
Teppich mit leuchtendem Mikrochipmuster, dessen Schaltkreise blau und scharlachrot ausgeführt waren. Genau in der Mitte des Raums stand ein exakt am Teppichmuster ausgerichteter, viereckiger weißer Milchglassockel.
    »Die Villa Straylight«, sagte ein glitzerndes Etwas auf dem Sockel mit melodiöser Stimme, »ist ein verschlungenes Gebilde, ein barocker Prachtbau. Jeder Raum in der Villa Straylight hat in gewisser Weise etwas Geheimes, die endlosen Reihen von Zimmern sind durch Gänge und Treppen verbunden, die sich wie Eingeweide wölben und winden und in denen enge Kurven, schmuckvolle Zwischenwände und leere Nischen das Auge bannen …«
    »Aufsatz von 3Jane.« Der Finne zog seine Partagas hervor. »Hat sie geschrieben, als sie zwölf war. Im Semiotikunterricht.«
    »Die Architekten von Freeside scheuten keine Mühe, um zu verbergen, dass das Innere der Spindel in der profanen Präzision einer Hotelzimmereinrichtung ausgelegt ist. In der Straylight ist die Innenfläche der Hülle mit wirr wuchernden Strukturen bedeckt, fließende Formen gehen ineinander über und heben sich zu einem festen Kern von Mikroschaltkreisen empor, dem wirtschaftlichen Herz unsres Clans, einem Siliziumzylinder, der mit engen Wartungsschächten gleich Wurmlöchern durchzogen ist, oft nicht breiter als eine Männerhand. Darin kriechen die bunten Krebse umher, die Drohnen, die alles auf mikrochemische Verfallsprozesse und Sabotage absuchen.«
    »Das war die, die du im Restaurant gesehn hast«, sagte der Finne.
    »Gemessen am Standard des Archipels«, fuhr der Kopf fort, »sind wir eine alte Familie. Die verschlungenen Strukturen unsres Heims spiegeln dieses Alter wider. Aber sie reflektieren noch mehr. Die Semiotik der Villa bezeugt eine Wendung
nach innen, eine Abkehr von der schillernden Leere jenseits der Hülle. Nachdem Tessier und Ashpool den Gravitationsschacht erklommen hatten, stellten sie fest, dass sie den Weltraum verabscheuten. Sie bauten Freeside, um den Wohlstand der neuen Inseln anzuzapfen, wurden reich und exzentrisch und nahmen einen Erweiterungsbau in Angriff, die Villa Straylight. Wir haben uns hinter unserem Geld verschanzt, sind nach innen gewachsen und haben ein fugenloses eigenes Universum geschaffen. In der Villa Straylight gibt es keinen Himmel, weder einen aufgezeichneten noch sonst einen. Der Siliziumkern der Villa birgt eine kleine Kammer, den einzigen Raum im ganzen Gebäude, der gerade Linien und rechte Winkel besitzt. Dort steht auf einem schlichten Glaspodest eine schmuckvolle Büste, Cloisonné auf Platin mit Perlen und Lapislazulibesatz. Die hellen Steine der Augen sind synthetische Rubinglasstücke vom Beobachtungsfenster des Schiffes, das die erste Tessier den Schacht heraufgebracht hat und dann zurückgekehrt ist, um den ersten Ashpool zu holen …«
    Der Kopf verstummte.
    »Und weiter?«, fragte Case schließlich. Beinahe hätte er erwartet, von dem Ding eine Antwort zu erhalten.
    »Mehr hat sie nicht geschrieben«, sagte der Finne. »Hat den Aufsatz nicht beendet. War noch’n Kind damals. Das Ding da ist so was wie’n zeremonielles Terminal. Molly muss hier rein und zur richtigen Zeit das richtige Wort sagen. Darauf kommt’s an. Ist scheißegal, wie tief ihr beide – du und die Flatline – mit dem chinesischen Virus vordringt, wenn dieses Ding das Zauberwort nicht zu hören bekommt.«
    »Und wie lautet das Wort?«
    »Weiß ich nicht. Man könnte sagen, was ich bin, ist im Grunde durch die Tatsache definiert, dass ich’s

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