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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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einer großen Lache geronnenen Blutes, das dick auf den gemusterten Teppichen glänzte. Als sie einen Zipfel der Decke zurückschlug, entdeckte sie ein Mädchen, dessen weiße Schulterblätter mit Blut besudelt waren. Man hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Die dreieckige Klinge eines Spachtels schimmerte in der dunklen Lache neben ihr. Molly kniete nieder, wobei sie darauf achtete, sich nicht mit dem Blut zu beschmieren, und drehte das Gesicht des toten Mädchens ins Licht. Das Gesicht, das Case im Restaurant gesehen hatte.
    Es machte klick, tief im Innersten aller Dinge, und die Welt erstarrte. Mollys Simstim-Übertragung wurde zum Standbild. Ihre Finger verharrten an der Wange des Mädchens. Das Bild blieb drei Sekunden stehen, dann wandelte sich das Gesicht, wurde zum Gesicht von Linda Lee.
    Ein weiteres Klicken, und das Zimmer verschwamm. Molly stand da und schaute auf eine goldene Laserdisk neben einer kleinen Konsole auf der Marmorfläche des Nachttischchens. Ein Glasfaserband lief wie eine Leine von der Konsole zu einer Buchse an dem schlanken Hals.
    »Ich hab deine Nummer mitgekriegt, du Drecksack.« Case spürte, wie sich irgendwo weit entfernt seine Lippen bewegten. Er wusste, dass Wintermute die Übertragung abgeändert hatte. Molly hatte nicht gesehen, wie sich das Gesicht des toten Mädchens in Rauch auflöste und zur Totenmaske von Linda Lee wurde.
    Molly wandte sich ab und ging zu Ashpools Stuhl. Der Mann atmete flach und stoßweise. Sie warf einen Blick auf das Durcheinander von Drogen und Alkohol. Dann legte sie seine Pistole weg, hob ihre Flechette auf, stellte auf Einzelschuss
und jagte ihm sehr bedächtig einen Giftpfeil durchs geschlossene linke Augenlid. Der Mann zuckte einmal zusammen und hörte mitten im Luftholen auf zu atmen. Das andere Auge, braun und unergründlich, ging langsam auf.
    Es war immer noch offen, als Molly sich abwandte und das Zimmer verließ.

16
    »Dein Boss ist dran«, sagte die Flatline. »Kommt über den zweiten Hosaka im andern Schiff oben rein, das wir huckepack genommen haben. Der Kahn heißt Haniwa .«
    »Weiß ich«, sagte Case. »Hab ihn gesehn.«
    Eine Raute aus weißem Licht klickte sich vor ihn und verdeckte das Tessier-Ashpool-Eis; sie zeigte das ruhige, gestochen scharfe, völlig verrückte Gesicht von Armitage mit seinen leeren Knopfaugen. Armitage blinzelte und starrte ihn an.
    »Ich schätz mal, Wintermute hat sich auch um Ihre Turings gekümmert, was? Genau wie um meine«, sagte Case.
    Armitage starrte ihn weiter an. Case widerstand dem plötzlichen Drang, wegzusehen, den Blick zu senken. »Alles in Ordnung, Armitage?«
    »Case« – einen Moment lang schien sich etwas hinter dem starren Blau zu regen – »du hast Wintermute gesehen, nicht wahr? In der Matrix.«
    Case nickte. Eine Kamera an der Frontseite seines Hosaka in der Marcus Garvey würde die Geste auf den Monitor in der Haniwa übertragen. Er stellte sich vor, wie Maelcum, der weder die Konstruktion noch Armitage hören konnte, seinem tranceartigen Gestammel lauschte.
    »Case« – die Augen wurden größer, als Armitage sich zu seinem Computer beugte – »als was siehst du ihn?«

    »Als hochauflösende Simstim-Konstruktion.«
    »Aber als wen ?«
    »Letztes Mal war er der Finne … Davor wohl’n Zuhälter, den ich …«
    »Nicht als General Girling?«
    »General wer ?«
    Das Gesicht in der Raute verschwand.
    »Lass das zurücklaufen! Der Hosaka soll rauskriegen, wer das ist«, sagte Case zur Konstruktion.
    Er schaltete um.
     
    Die Perspektive überraschte ihn. Molly kauerte zwischen Stahlträgern, zwanzig Meter über einem weiten, glattpolierten, fleckigen Betonboden. Der Raum war ein Hangar oder eine Wartungsbucht. Case konnte drei Raumschiffe sehen, keins größer als die Garvey und allesamt in verschiedenen Reparaturstadien. Japanische Stimmen. Eine Gestalt in einem orangefarbenen Overall trat aus einem Spalt im Rumpf eines wulstigen Baufahrzeugs und blieb neben einem der kolbengesteuerten Arme stehen, die seltsam menschlich wirkten. Der Mann tippte etwas in ein tragbares Steuergerät und kratzte sich an den Rippen. Eine karrenähnliche, rote Drohne rollte auf grauen Ballonreifen ins Blickfeld.
    Ihr Chip blinkte CASE.
    »Hallo«, sagte sie. »Sag mir mal einer, wie’s weitergeht.«
    Sie hockte sich auf die Fersen. Die Arme und Knie ihres Modern-Anzugs waren so blaugrau wie die lackierten Träger. Sie hatte jetzt anhaltende, stechende Schmerzen in ihrem Bein. »Hätte noch mal zu Chin

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