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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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schwierig, träge Projektile in Rotationsgravitation. Es war nicht beab-sichtigt.«
    »Wo ist 3Jane?« Case stellte sich neben Maelcum. Er sah, daß die Spitze
    des Pfeils im Bogen des Ninja die Form eines zweischneidigen Rasiermessers hatte. »Wo ist Molly?«
    »Hallo, Case.« Riviera kam aus der Dunkelheit hinter Hideo anspaziert
    und hielt Mollys Flechette in der Hand. »Ich hatte eigentlich mit Armitage gerechnet. Heuern wir jetzt schon Helfer aus diesem Rasta-Haufen an?«
    »Armitage ist tot.«
    »Armitage hat's nie gegeben, das wäre treffender, aber die Nachricht bestürzt mich kaum.«
    »Wintermute hat ihn umgebracht. Er fliegt im Orbit um die Spindel.«
    Riviera nickte, und die länglichen, grauen Augen blickten von Case zu
    Maelcum und zurück. »Ich glaube, hier endet das Ganze für euch.«
    »Wo ist Molly?«
    Der Ninja lockerte die feine, geflochtene Sehne und senkte den Bogen.
    Er überquerte den Kachelboden, wo die Remington lag, und hob sie auf. »
    Plumper Stil«, sagte er wie zu sich selbst. Seine Stimme war kühl und angenehm. Jede seiner Bewegungen war Teil eines Tanzes, eines Tanzes, der nie endete, selbst wenn sein Körper in Ruhe verharrte. Trotz der Kraft, die er ausstrahlte, ging auch Bescheidenheit von ihm aus, eine schlichte Of-fenheit.
    »Auch für sie endet's hier«, sagte Riviera.
    »Vielleicht ist 3Jane anderer Ansicht, Peter«, sagte Case, einer Regung
    folgend, der er sich nicht sicher war.
    Die Derms wüteten nach wie vor in seinem System, und das alte Fieber
    griff wieder nach ihm, der Wahnsinn von Night City. Er erinnerte sich an
    schmissige Momente, wo er, am Rande des Abgrunds balancierend, ausge—
    teilt hatte, wo sich gezeigt hatte, daß er zuweilen schneller sprechen als denken konnte.
    Riviera kniff die grauen Augen zusammen. »Warum, Case? Warum
    glaubst du das?«
    Case lächelte. Riviera wußte nichts vom Simstim-Gerät. In seiner Hast,
    an die mitgebrachten Drogen zu kommen, hatte er es übersehen. Aber
    wie hatte Hideo es übersehen können? Denn Case war überzeugt, der Ninja hätte 3Jane niemals Molly pflegen lassen, ohne sie vorher auf techni—
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    sche Kniffe und versteckte Waffen zu überprüfen. Nein, folgerte er, der
    Ninja wußte Bescheid. Demnach wäre auch 3Jane im Bilde.
    »Raus mit der Sprache, Case!« sagte. Riviera und hob die Pfefferstreuer—
    mündung der Flechette.
    Es knarrte etwas hinter ihnen, knarrte wieder. 3Jane schob Molly in einem schmuckvollen viktorianischen Rollstuhl aus dem Schatten hervor; die hohen Speichenräder ächzten bei jeder Drehung. Molly war fest in
    eine rotschwarz gestreifte Decke gepackt. Die schmale Lehne aus Rohr—
    geflecht des altertümlichen Stuhls überragte ihren Kopf. Sie wirkte sehr
    klein. Gebrochen. Ein strahlend weißer Pflasterstreifen bedeckte ihre beschädigte Linse; die andere funkelte leer beim Wippen ihres Kopfes im fahrenden Stuhl.
    »Ein vertrautes Gesicht«, sagte 3Jane. »Ich sah dich am Abend von Peters
    Show. Und wer ist das?«
    »Maelcum«, sagte Case.
    »Hideo, entferne den Pfeil und verbinde Mr. Maelcums Wunde!«
    Case starrte auf Molly, in das blasse Gesicht.
    Der Ninja ging zum sitzenden Maelcum, hielt kurz inne, um Bogen und
    Gewehr außerhalb seiner Reichweite abzulegen, und zog etwas aus seiner
    Tasche. Eine Kneifzange. »Ich muß den Schaft abzwicken«, sagte er. »Sitzt zu dicht an der Arterie.« Maelcum nickte. Sein Gesicht war aschfahl und mit Schweiß bedeckt.
    Case blickte zu 3Jane. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit«, sagte er.
    »Für wen denn?«
    »Für jeden von uns.« Es knackste, als Hideo den metallenen Pfeilschaft
    abzwickte. Maelcum stöhnte.
    »Echt«, sagte Riviera. »es wird dich nicht amüsieren, wie dieser gescheiterte Schwindler einen letzten verzweifelten Versuch startet. Höchst widerwärtig, kann ich dir versichern. Zuletzt wird er auf Knien vor dir kriechen und anbieten, dir seine Mutter zu verkaufen, die langweiligsten sexuellen Dienste zu erweisen...«
    3Jane warf den Kopf zurück und lachte. »Wirklich nicht, Peter?«
    »Die Gespenster liefern sich heut' abend 'nen harten Kampf, Lady«, sagte
    Case. »Wintermute geht los auf den andern, Neuromancer. Auf Biegen und
    Brechen. Weißt du das?«
    3Jane zog die Brauen hoch. »Peter hat so was angedeutet, aber erzähl!«
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    »Ich traf Neuromancer. Er redete von deiner Mutter. Ich schätze, er ist
    so was wie 'ne riesige ROM-Konstruktion zur Persönlichkeitsspeicherung,
    steckt allerdings voller RAM. Die Konstruktionen

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