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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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glauben, sie sind da, es ist wirklich, aber geht halt endlos weiter.«
    3Jane trat vor den Rollstuhl. »Wo? Beschreib mir den Ort, die Konstruktion.«
    »Ein Strand. Grauer Sand wie ungeputztes Silber. Und ein Betonklotz,
    'ne Art Bunker...« Er zögerte. »Nichts Großartiges. Nur'n alter Kasten, verfallen. Wenn du weit genug gehst, kommst du dorthin, wo du hergekom-men bist.«
    »Ja«, sagte sie. »Marokko. Als Marie-France noch jung war, Jahre vor der
    Heirat mit Ashpool, verbrachte sie einen Sommer allein an diesem Strand,
    wohnte in einem verlassenen Blockhaus. Dort formulierte sie die Grundla—
    gen ihrer Philosophie.«
    Hideo richtete sich auf, verstaute die Zange in seiner Arbeitshose. In jeder Hand hielt er ein Pfeilstück. Maelcum hatte die Augen geschlossen und umklammerte mit der Hand den Bizeps. »Ich verbinde es«, sagte Hideo.
    Case hatte sich zu Boden geworfen, bevor Riviera die Flechette hochrei-
    ßen und abdrücken konnte. Die Pfeilgeschosse schwirrten wie Mücken
    mit Überschallgeschwindigkeit an seinem Hals vorbei. Er rollte zur Seite
    und sah dabei, wie Hideo einen weiteren Schritt seines Tanzes vollführte; die scharfe Pfeilspitze lag umgekehrt in der Hand, der Schaft flach auf Ballen und starren Fingern. Mit einer blitzschnellen Handbewegung schnellte er ihn in Rivieras Handrücken. Die Flechette fiel einen Meter weiter auf die Kacheln.
    Riviera kreischte. Aber nicht vor Schmerz. Es war schrilles Wutgeschrei,
    so rein, so lauter, daß es jeden menschlichen Zuges entbehrte.
    Zwei dünne Lichtstrahlen, rubinrote Nadeln, schossen aus der Brust—
    beingegend von Riviera.
    Der Ninja grunzte, taumelte zurück, riß die Hände an die Augen und
    fand dann sein Gleichgewicht wieder.
    »Peter«, sagte 3Jane, »Peter, was hast du getan?«
    »Er hat deinen Klonboy geblendet«, sagte Molly tonlos.
    Hideo senkte die geschlossenen Hände. Case, auf den weißen Kacheln
    erstarrt, sah an den zerstörten Augen Dampf austreten.
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    Riviera lächelte.
    Hideo ging in seinen Tanz über, machte kehrt. Als er über Pfeil und Bogen und Remington stand, verblaßte Rivieras Lächeln. Hideo bückte sich –verneigte sich, wie es Case schien – und fand Pfeil und Bogen.
    »Du bist blind«, sagte Riviera, der einen Schritt zurückwich.
    »Peter«, sagte 3Jane, »weißt du denn nicht, daß er's im Dunkeln kann?
    Zen. So übt er.«
    Der Ninja legte seinen Pfeil ein. »Willst du mich jetzt noch mit deinen
    Hologrammen ablenken?«
    Riviera verzog sich nach hinten, ins Dunkel jenseits des Pools. Er streifte einen weißen Stuhl; die Füße rasselten über den Fliesenboden. Hideos Pfeil zuckte.
    Riviera stürzte auf und davon, warf sich über eine niedrige, schartige
    Mauer. Hideos Gesicht war verzückt, von stiller Ekstase erfüllt.
    Lächelnd stapfte er in den Schatten hinter der Mauer, die Waffe schuß-
    bereit.
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    »Jane-Lady«, flüsterte Maelcum, und Case wandte sich zu ihm und sah,
    wie er das Gewehr von den Kacheln aufhob, wobei Blut auf den weißen
    Keramikbelag tropfte. Er schüttelte seine Locken und legte den dicken
    Lauf in den Ellbogen seines verletzten Arms. »Das reißt dir den Kopf ab,
    und kein Doktor Babylons kann's wieder richten.«
    3Jane starrte auf die Remington. Molly befreite ihre Arme aus den Falten der gestreiften Decke und hob die schwarze Kugel, die ihre Hände umschloß. »Ab«, sagte sie. »Abmachen das Ding!«
    Case erhob sich von den Fliesen, schüttelte sich. »Hideo kriegt ihn sogar blind?« fragte er 3Jane.
    »Als ich ein Kind war«, sagte sie, »machten wir uns immer einen Spaß
    daraus, ihm die Augen zu verbinden. Er durchbohrte die Serienzeichen
    von Spielkarten auf zehn Meter mit dem Pfeil.«
    »Peter ist sowieso schon so gut wie tot«, sagte Molly.
    »Binnen zwölf Stunden wird er gelähmt sein. Kann sich nicht mehr rühren bis auf die Augen.«
    »Wie das?« Case wandte sich zu ihr um.
    »Hab seinen Stoff vergiftet«, sagte sie. »Zustand wie Parkinsonsche
    Krankheit oder so.«
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    3Jane nickte. »Ja. Wir machten die übliche medizinische Kontrolle, bevor er eingelassen wurde.« Sie berührte den Ball auf eine bestimmte Art, und er sprang von Mollys Händen ab. »Selektive Zerstörung der Zellen der
    Substantia nigra. Anzeichen für Lewis-Körper-Bildung. Er hat Schweißausbrüche nachts.«
    »Ali«, sagte Molly und fuhr kurz ihre zehn funkelnden Klingen aus und
    riß die Decke von den Beinen, so daß der aufgeblähte Gipsverband sichtbar wurde. »Es ist das Meperidin. Ließ mir

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