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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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von Ali eine übliche Portion geben. Verkürzte die Reaktionszeiten durch erhöhte Temperaturen. N-me—thyl-4-phenyl-1236«, flötete sie wie ein Kind, das die Schritte eines Pfla-sterspiels aufsagt, »tetra-hydro-pyridin.«
    »Ein goldener Schuß«, sagte Case.
    »Tja«, sagte Molly, »ein echt langsamer goldener Schuß.«
    »Wie reizend«, sagte 3Jane kichernd.
    Es war eng im Aufzug. Case stand Schambein an Schambein vor 3Jane
    und drückte ihr die Remington-Mündung unters Kinn. Grinsend preßte sie
    sich an ihn. »Laß das!« sagte er mit einem Gefühl der Hilflosigkeit. Er hatte das Gewehr nicht entsichert, trotzdem hatte er einen Horror davor, sie zu verletzen, und das wußte sie. Der Aufzug war ein Stahlzylinder mit weniger als einem Meter Durchmesser und nur für eine Person ausgelegt.
    Maelcum trug Molly auf den Armen. Obwohl sie seine Wunde verbunden
    hatte, tat es ihm anscheinend weh, sie zu tragen. Ihre Hüfte drückte Case Deck und Konstruktion in die Nieren.
    Sie fuhren aus der Schwerkraft hinauf zur Achse, zum Kern.
    Der Eingang zum Aufzug war hinter der Treppe zum Korridor versteckt,
    ein weiteres Detail in der Piratenhöhlendekoration von 3Jane.
    »Ich glaube nicht, daß ich euch das sagen sollte«, meinte 3Jane und
    streckte den Hals, um dem Druck der Gewehrmündung unterm Kinn auszuweichen, »aber ich habe keinen Schlüssel zu dem Raum, in den ihr wollt.
    Eine der viktorianischen Unannehmlichkeiten meines Vaters. Das Schloß
    ist mechanisch und äußerst kompliziert.«
    »Chubb-Schloß«, sagte Molly, deren Stimme von Maelcums Schulter gedämpft wurde, »und wir haben den verdammten Schlüssel, keine Sorge.«
    »Dein Chip, geht der noch?« fragte Case sie.
    »Fünfundzwanzig nach acht p.m., Greenwicher Zeit«, sagte sie.
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    »Wir haben fünf Minuten«, sagte Case, als die Tür hinter 3Jane auf—
    schnappte. Sie machte einen langsamen Salto rückwärts; der helle, faltige Burnus bauschte sich um ihre Oberschenkel.
    Sie waren an der Achse, im Kern der Villa Straylight.
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    Molly nestelte den Schlüssel aus der Nylonschlinge.
    »Weißt du«, sagte 3Jane, die gespannt den Kopf vorstreckte, »ich war
    der Ansicht, daß kein Duplikat existierte. Ich ließ von Hideo die Sachen
    meines Vaters durchsuchen, nachdem du ihn umgebracht hattest. Er konnte das Original nicht finden.«
    »Wintermute gelang es, den Schlüssel tief in einem Schubfach zu hinter—
    legen«, sagte Molly, während sie behutsam den zylindrischen Schlüssel—
    schaft in die gekerbte Öffnung an der blanken, rechteckigen Tür steckte. »
    Er tötete das kleine Kind, das ihn reingetan hatte.«
    Der Schlüssel ließ sich auf Anhieb mühelos drehen.
    »Der Kopf«, sagte Case. »Da ist 'ne Blende an der Rückseite des Kopfes.
    Zirkone dran. Runter damit! Da steck ich ein!«
    Und sie gingen hinein.
    »Himmeldonnerwetter«, lallte die Flatline, »du läßt dir wohl aus Über—
    zeugung ganz schon Zeit, was, Junge?«
    »Kuang bereit?«
    »Okay.« Er schaltete um.
    Und siehe da, er starrte durch das eine heile Auge von Molly auf eine
    blasse, kaputte Gestalt, die in loser Fötushaltung dahinschwebte, ein Cyberspace-Deck zwischen den Beinen und ein silbernes E-trodenband über den geschlossenen, eingesunkenen Augen hatte. Dunkler Ein-Tag-Bart ließ
    die Wangen hohl wirken, und das Gesicht war schweißbedeckt.
    Er blickte auf sich selbst.
    Molly hielt ihre Flechette in der Hand. Obwohl ihr Bein mit jedem Pulsschlag pulsierte, konnte sie bei Null-g manövrieren. Maelcum schwebte,
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    3Janes schmalen Arm in der breiten, braunen Hand, in der Nähe.
    Ein Lichtleitfaserband schlängelte sich anmutig vom Ono-Sendai zur
    viereckigen Öffnung an der Rückseite des perlenbesetzten Terminals.
    Er drückte wieder den Schalter.
    »Kuang Grade Mark 11 semmelt in neun Sekunden rein, zähle, sieben, sechs, fünf...«
    Die Flatline hackte sie hoch; es ging flott hinauf. Der Bauch des schwarzen Chromhais huschte mikrosekundenschnell als dunkler Schatten vor-
    über.
    »Vier, drei...«
    Case hatte den seltsamen Eindruck, im Pilotensitz eines kleinen Fliegers
    zu sitzen. Ein flaches, dunkles Gebilde vor ihm glänzte plötzlich als perfekte Reproduktion seiner Deck-Tastatur auf.
    »Zwei und Arschtritt...«
    Mit dem Kopf voraus durch smaragdgrüne, jadegrüne Mauern, das Gefühl von Geschwindigkeit, wie er sie im Cyberspace noch nicht erlebt hatte... Das Tessier-Ashpopl-Eis brach, zerbröckelte unter dem Ansturm des chinesischen Programms. Der quälende Eindruck

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