Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Fußtritt. Die silberne Stiefelkuppe klapperte gegen den Panzer; das Ding purzelte auf den Rücken, jedoch richteten die bronzenen Gliedmaßen es rasch wieder auf.
    Case saß auf einem Findling und scharrte mit den Schuhspitzen im
    gleichmäßig gewellten Kies. Er durchwühlte seine Taschen nach Zigaretten. »In deinem Hemd«, sagte sie.
    »Willste mir nun Antwort geben?« Er nestelte eine zerdrückte Yeheyuan aus der Packung, die sie ihm mit einem schmalen, deutschen Stahlfeuer—zeug, das aussah, als stammte es aus einem Operationssaal, anzündete.
    »Nun, laß dir sagen, der Mann ist echt hinter was her. Hat neuerdings massenhaft Knete und kriegt ständig mehr.« Case bemerkte eine gewisse Verkrampfung an ihrem Mund. »Oder vielleicht ist was hinter ihm her...«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Soll'n das heißen?«
    »Weiß nicht genau. Weiß nur, daß ich nicht weiß, für wen oder was wir eigentlich arbeiten.«
    Er blickte in die Doppelspiegel. Nachdem er am Samstagmorgen das
    Hilton verlassen hatte, war er ins Cheap Hotel zurückgekehrt und hatte zehn Stunden lang geschlafen. Anschließend hatte er einen langen, ziello—sen Spaziergang entlang der Sicherheitsabsperrung zum Hafen gemacht
    und die Möwen beobachtet, die hinter dem Maschendrahtzaun ihre Kreise zogen. Wenn sie ihm gefolgt war, dann hatte sie gute Arbeit geleistet. Er hatte die Night City gemieden. Er hatte im Sarg den Anruf von Armitage abgewartet. Nun dieser stille Hof, Sonntagnachmittag, das Mädchen mit dem Körper einer Sportlerin und den Händen eines Zauberers.
    »Wenn Sie jetzt reinkommen möchten, Sir, der Anästhesist erwartet Sie, « Der Techniker verneigte sich, machte kehrt und ging in die Klinik zurück, ohne abzuwarten, ob Case ihm folgte.
    Geruch von kaltem Stahl. Eis umschmiegte seine Wirbelsäule.
    Verloren, so winzig inmitten der Dunkelheit, abkühlende Hände, verblassende Wahrnehmungen durch Fluchten von Fernsehhimmel.
    Stimmen.
    Dann schwarzes Feuer in den Nervenverzweigungen; Schmerz, der alles
    übertraf, das den Namen Schmerz verdient...
    35
    Stillhalten. Nicht bewegen.
    Und Ratz war hier und Linda Lee, Wage und Lonny Zone, hundert Gesichter aus dem Neonwald, Matrosen und Gauner und Huren; hier, wo der Himmel über dem Maschendrahtzaun und dem Kerker des Schädels eine
    giftige Silberfärbung hatte.
    Verdammt, ja nicht bewegen.
    Wo der Himmel von rauschender Statik zur Nichtfarbe der Matrix überblendete und er die Shuriken, seine Sterne, sah.
    »Halt still, Case, ich muß deine Vene finden!«
    Sie kauerte rittlings über seiner Brust, eine blaue Plastikkanüle in der Hand. »Wenn du nicht stillhältst, schlitz ich dir den verdammten Hals auf.
    Du bist noch mit Endorphinhemmern18 vollgepumpt.«
    Er erwachte und stellte fest, daß sie im Dunkeln neben ihm lag. Sein Hals war spröde wie Reisig. Durch seine Wirbelsäule pulsierte von der Mitte abwärts anhaltender Schmerz; Bilder tauchten auf, änderten sich: eine flimmernde Montage der Türme und zerklüfteten Fuller-Kuppeln des Sprawl, verschwommene Gestalten, die auf ihn zugingen unter einer dü-
    steren Brücke oder Überführung...
    »Case? Es ist Mittwoch, Case.« Sie bewegte sich, rollte sich zur Seite, beugte sich über ihn. Eine ihrer Brüste streifte seinen Oberarm. Er hörte, wie sie den Plastikverschluß einer Mineralwasserflasche aufriß und trank. »
    Da.« Sie drückte ihm die Flasche in die Hand. »Ich kann im Dunkeln sehen, Case. Integrierter Bildverstärker in den Linsen.«
    »Mein Rücken tut weh.«
    »Da haben sie deinen Liquor ausgetauscht. Auch dein Blut haben sie ge—wechselt. Das Blut, weil du obendrein eine neue Bauchspeicheldrüse gekriegt hast. Und die Leber haben sie mit frischem Gewebe geflickt. Mit der Nervensache weiß ich nicht Bescheid. Menge Injektionen. Haben dafür nichts aufschneiden brauchen.« Sie legte sich wieder neben ihn. »Es ist 2: 43:12 Uhr, Case. Hab 'nen Anzeigechip am Sehnerv.«
    Er setzte sich auf und versuchte, aus der Flasche zu trinken. Würgte, hustete. Lauwarmes Wasser sprudelte über Brust und Oberschenkel.
    18
    Endorphin = schmerzlösende Substanz, die im Gehirn freigesetzt wird, wenn bestimmte Nerven mittels Akupunktur ge-reizt werden. (Wirkt 200 mal stärker als Morphin.) - Der Übers.
    36
    »Ran an die Tasten!« hörte er sich sagen. Er grapschte nach seinen Klei—dern. »Muß wissen...«
    Sie lachte. Kleine, kräftige Hände packten ihn an den Oberarmen. »Sorry, du Teufelskerl. Mußt acht Tage warten. Dein

Weitere Kostenlose Bücher