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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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nach. Ob er sie beim Namen rief, das wußte er nicht sicher.
    Nachbild eines haarfeinen, roten Lichtstrahls. Verschmorter Beton unter seinen dünnen Sohlen.
    Aufblitzen ihrer weißen Turnschuhe, jetzt dicht an der runden Wand.
    Wieder stach ihm der gespenstische Laserstrahl ins Auge, der durch sein Blickfeld zuckte, während er rannte.
    Jemand stellte ihm ein Bein. Er zerschürfte sich die Hände am Beton.
    Er rollte herum, stieß mit dem Fuß, traf nicht. Ein schmächtiger Junge, im Gegenlicht einen regenbogenfarbenen Nimbus über dem stachlichen
    Blondschopf, beugte sich über ihn. Über der Manege wandte sich eine Gestalt mit erhobenem Messer der jubelnden Menge zu. Der Junge lächelte und zog etwas aus dem Ärmel. Ein Rasiermesser in ätzendem Rot, als ein dritter Strahl an ihnen vorbei ins Dunkel schoß. Case sah, daß sich das Rasiermesser wie eine Wünschelrute auf seine Kehle senkte.
    Das Gesicht löste sich in einer knatternden Wolke mikroskopischer Ex—plosionen auf. Mollys Pfeile, zwanzig pro Sekunde. Der Junge hustete krampfhaft und plumpste auf die Beine von Case.
    Er ging zum Kiosk, ins Dunkel. Er sah nach unten, erwartete, die rubinrote Nadel in der Brust stecken zu sehen. Nichts. Er fand Linda. Man hatte sie zum Fuße eines Betonpfeilers gestürzt. Ihre Augen waren geschlossen.
    Es roch nach versengtem Fleisch. Die Menge grölte im Sprechchor den
    Namen des Siegers. Ein Bierverkäufer polierte mit einem dunklen Lappen seine Zapfhähne. Ein weißer Turnschuh war irgendwie abgefallen und lag neben ihrem Kopf.
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    Folg der Wand! Betonkurve. Hände in der Tasche. Geh weiter! An blinden Gesichtern vorbei. Alle Augen ruhten auf dem Bild des Siegers über dem Ring. Einmal bemerkte er das schrammige Gesicht eines Europäers
    im Schein eines Streichholzes. Die Lippen wölbten sich um den kurzen Stiel einer Metallpfeife. Haschischgeruch. Case ging weiter und empfand nichts.
    »Case.« Ihre Linsen tauchten im Dunkeln auf. »Bist du okay?«
    Etwas quäkte und gurgelte im Dunkeln hinter ihr. Er schüttelte den
    Kopf. »Der Kampf ist aus, Case. Zeit zum Heimgehn.«
    Er versuchte, an ihr vorbeizugehen, zurück ins Dunkel, wo etwas starb.
    Sie hielt ihm die Hand vor die Brust, um ihn zu stoppen. »Freunde deines engen Freunds. Haben dir dein Mädel umgebracht. Hattest in bezug auf Freunde keine glückliche Hand in dieser Stadt, nicht wahr? Wir haben ein kurzes Profil von dem alten Schwein gemacht, als wir deins machten,
    Mann. Für ein paar Neue würde der jeden verheizen. Typ da hinten sagt, sie kamen ihr auf die Spur, als sie dein RAM verhökern wollte. Kommt halt billiger für sie, die Frau kaltzumachen und die Ware einzusacken. Ein biß-
    chen was sparen... Von demjenigen mit dem Laser hab ich das rausgekriegt. Zufall, daß wir hier waren, aber das mußte ich nachchecken.« Ihr Mund war verkniffen.
    Case hatte das Gefühl, sein Verstand sei blockiert. »Wer?« fragte er, »wer hat sie geschickt?«
    Sie reichte ihm eine blutbesudelte Tüte mit kandiertem Ingwer. Er sah, daß an ihren Händen Blut klebte. Hinten im Dunkeln röchelte jemand sab—bernd und starb.
    Nach der Nachuntersuchung in der Klinik brachte Molly ihn zum Hafen.
    Armitage wartete schon. Er hatte ein Hovercraft gechartert. Das letzte, was Case von Chiba sah, waren die dunklen Ecken der Arcologien. Dann legte sich Nebel über das dunkle Wasser und die treibenden Unratmassen.
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ZWEITER TEIL
Die
Shopping-Expedition
    3
    Daheim.
    Sein Daheim war BAMA, das Sprawl, die B oston- A tlanta- M etropolen a ch-se.
    Programmier eine Karte, die die Frequenz des Datenaustauschs auf—
    zeigt, bei jeweils tausend Megabytes pro Pixel21 auf einem sehr großen
    Bildschirm. Manhattan und Atlanta leuchten ordentlich weiß. Dann begin—
    nen sie zu flimmern, weil die Flußrate deine Simulation zu überlasten
    droht. Deiner Karte blüht eine Nova. Nur sachte. Hoch mit dem Raster: Jedes Pixel eine Million Megabytes. Bei hundert Millionen Megabytes pro Sekunde kannst du allmählich bestimmte Häuserblöcke mitten in Manhattan ausmachen, Umrisse von hundertjährigen Industrieparks, die den alten Kern von Atlanta umschließen...
    Case erwachte aus einem Traum von Flughäfen, von Mollys schwarzer
    Lederkluft, die vor ihm herging durch die Flugsteige von Narita, Schipol, Orly... Er sah sich beim Kaufen einer flachen Plastikflasche mit dänischen Wodka an irgendeinem Kiosk eine Stunde vor Sonnenaufgang.
    Irgendwo drunten in den Stahlbetonfundamenten des Sprawl schob

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