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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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aufging. Er rechnete mit Molly oder Armitage.
    »Herrgott«, sagte eine heisere Stimme. »Ich weiß, das Luder kann im
    Dunkeln sehn...« Eine untersetzte Gestalt kam herein und schloß die Tür. »
    Mach doch endlich Licht!« Case rappelte sich hoch und tastete nach dem
    altertümlichen Lichtschalter.
    »Ich bin der Finne«, sagte der Finne und sah Case mit Drohgebärden an.
    »Case.«
    »Angenehm, echt. Wie's aussieht, mach ich ein bißchen Hardware für
    deinen Boß.« Der Finne angelte ein Päckchen Paragas aus der Tasche und
    zündete sich eine an. Der würzige Geruch von kubanischem Tabak erfüllte
    den Raum. Der Finne ging zum Arbeitstisch und warf einen Blick auf den
    Ono-Sendai. »Anscheinend Serienmodell. Haben wir gleich. Hier ist das
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    Problem, Freund.« Er zog ein speckiges Manilapapierkuvert aus der
    Jackeninnentasche, stäubte Asche auf den Boden und entnahm dem Kuvert eine unscheinbare, schwarze Rechteckplatte. »Verfluchte Fabrikmo—delle«, sagte er und warf das Ding auf den Tisch. »Gießen sie in Polykarbonat ein, kommst mit dem Laser nicht rein, ohne das Gerät zu verkohlen.
    Gesichert gegen Röntgen, Ultrascanning und weiß Gott was noch. Aber wir
    kommen rein, auch wenn den Gottlosen keine Ruhe gegönnt ist, richtig?«
    Er faltete das Kuvert mit großer Sorgfalt und verstaute es in seiner
    Jackeninnentasche.
    »Was ist's?«
    »Eine Flipflop-Schaltung im Prinzip. Mit deinem Sendai verdrahtet, ermöglicht sie dir Zugriff auf Simstim, live oder aufgezeichnet, ohne daß du von der Matrix auskoppeln mußt.«
    »Wozu das?«
    »Keine Ahnung. Weiß nur, daß ich Molly mit einem Sender ausstatte. Ist
    vermutlich ihr Sensorium, auf das du Zugriff haben sollst.« Der Finne kratzte sich am Kinn. »Jetzt wirste also bald erfahren, wie eng ihre Hose wirklich sitzt, was?«
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    Case saß im Speicherraum, die Elektroden an die Stirn geheftet, und
    beobachtete die Staubkörnchen im Sonnenlicht, das durch das Dachluken—
    gitter einfiel. In einer Ecke des Monitorbilds lief ein Countdown ab.
    Cowboys machen nicht auf Simstim, dachte er, weil es im Grunde ein
    Fleischspiel ist. Er wußte, daß die angelegten E-troden und der kleine Pla-tikstirnreif, der von einem Simstim-Deck baumelte, im Prinzip ein und dasselbe waren und die Cyberspace-Matrix eigentlich eine starke Vereinfa—chung des menschlichen Sensoriums zumindest in Hinblick auf die Darstellung war, aber Simstim schien ihm eine aufgezwungene Vervielfachung von Flesich-Eingaben zu sein. Das kommerzielle Material war natürlich redigiert, so daß man nichts davon spürte, sollte Tally Isham mittendrin Kopfschmerzen bekommen.
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    Der Monitor piepste einen 2-Sekunden-Warnton.
    Der neue Schalter war mit seinem Sendai durch einen schmalen Glasfa—
    seroptik-Streifen verbunden.
    Und eins und zwei und...
    Cyberspace trat, aus den vier Himmelsrichtungen zusammengleitend,
    zum Vorschein. Weich, dachte er, aber nicht weich genug. Braucht noch einen letzten Schliff...
    Dann betätigte er die neue Schaltung.
    Abrupter Wechsel in anderes Fleisch. Matrix weg, eine Woge von Lau—
    ten und Farben... Sie ging durch eine belebte Straße, vorbei an Ständen,
    wo Software verramscht wurde. Filzstiftzahlen auf Preisschildern aus Plastik. Musikfetzen aus unzähligen Lautsprechern. Geruch nach Urin, freien Monomeren, Parfüm, Krillpasteten. Einige bange Sekunden lang kämpfte
    er hilflos um die Kontrolle über ihren Körper. Dann fügte er sich und wur-de zum passiven Passagier hinter ihren Augen.
    Die Brille hielt offenbar kein Sonnenlicht zurück. Er fragte sich, ob die eingebauten Bildverstärker automatisch für Ausgleich sorgten. Blaue Ziffern im unteren linken Gesichtsfeld gaben blinkend die Zeit an. Angeberei, dachte er.
    Ihre Körpersprache war verwirrend, ihr Stil befremdend. Sie schien
    ständig gegen Leute zu knallen, die aber auseinanderrückten, zur Seite
    traten, ihr Platz machten.
    »Wie geht's, Case?« Er hörte die Silben und spürte, wie sie sie formulierte. Sie schob die Hand in ihre Jacke und ließ die Fingerspitze um die Brustwarze unter dem warmen Seidenstoff gleiten. Er hielt die Luft an bei dieser Empfindung. Sie lachte. Aber die Verbindung war einseitig. Er hatte keine Möglichkeit, ihr Antwort zu geben.
    Nach zwei Blöcken war sie im Bereich der Memory Lane. Case versuchte immer wieder, ihre Augen auf markante Punkte zu richten, die er zur Orientierung benutzt hätte. Die Passivität störte ihn allmählich.
    Der Wechsel in den Cyberspace, als er

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