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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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redest ist genauso wirr wie der ganze Deal«, sagte Case, der
    sich mit der freien Hand die Schläfen massierte. »Wenn du so gottverdammt schlau bist...«
    »Warum bin ich dann nicht reich?« lachte Deane und wäre fast an seinem Bonbon erstickt. »Nun, Case, ich kann dazu nur sagen - und ich habe bei weitem nicht so viele Antworten darauf, wie du dir einbildest -, was du dir unter Wintermute vorstellst, ist nur ein Teil einer anderen, sozusagen potentiellen Entität. Ich bin, laß mich das so sagen, nur ein Aspekt des Gehirns dieser Entität. Von deinem Standpunkt betrachtet, ist es in etwa so, als hättest du mit einem Menschen zu tun, dessen Hirnhälften getrennt sind. Sagen wir, du hast mit einem kleinen Teil seines linken Hirns zu tun.
    Schwer zu sagen, ob du überhaupt mit dem Menschen an sich zu tun hast
    in so einem Fall.« Deane lächelte.
    »Stimmt die Corto-Story? Du hast ihn durch einen Mikro in dieser fran—
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    zösischen Klinik gekriegt?«
    »Ja. Und ich stellte das Archiv zusammen, daß du in London gesichtet
    hast. Ich versuche zu planen, in deiner Bedeutung des Worts, was eigentlich gar nicht meine Art ist. Ich improvisiere. Das ist mein größtes Talent.
    Mir sind Situationen lieber als Pläne, du verstehst. Echt, ich muß mit vollendeten Tatsachen operieren. Ich kann ungeheure Datenmengen bearbeiten, und zwar sehr schnell bearbeiten. Es hat recht lange gedauert, das Team, zu dem du gehörst, auf die Beine zu stellen. Corto war der erste und schaffte es beinahe nicht. War ganz schön unten in Toulon. Essen,
    Scheißen und Masturbieren, zu recht viel mehr war er nicht imstande.
    Aber die zugrundeliegende Struktur der Besessenheit war vorhanden:
    Screaming Fist, sein Verrat, die Kongreß-Ausschüsse.«
    »Ist er noch immer verrückt?«
    »Er ist keine ganze Persönlichkeit.« Deane lächelte.
    »Aber ich bin sicher, das ist dir aufgefallen. Freilich steckt Corto irgendwie drin, und ich kann das heikle Gleichgewicht nicht mehr aufrechterhal-ten. Er wird sich an dir spalten, Case. Ich zähle also auf dich...«
    »Schon recht, du Arsch«, sagte Case und schoß ihm mit der 357er in den
    Mund.
    Es stimmte, das mit dem Hirn. Und dem Blut.
    »Du«, sagte Maelcum, »das gefällt mir nicht.«
    »Schon okay«, sagte Molly. »Alles cool. Die tun das, tun das manchmal.
    War ja nicht tot, dauerte nur'n paar Sekunden.«
    »Hab den Schirm gesehn, Null EEG. Nichts rührte sich vierzig Sekunden
    lang.«
    »Ach, er ist wieder okay.«
    »EEG flach wie sonst was«, protestierte Maelcum.
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    Er war benommen, als sie den Zoll passierten, und überließ größtenteils Molly das Reden. Maelcum war an Bord der Garvey geblieben. Die Zollformalitäten für Freeside beschränkten sich hauptsächlich darauf, die 119
    Zahlungsfähigkeit nachzuweisen. Das erste, was er sah, als sie in die Spindel kamen, war eine Niederlassung des Franchise-Cafes Beautiful Girl.
    »Willkommen in der Rue Jules Verne«, sagte Molly. »Wenn du Probleme
    mit dem Gehen hast, guck auf deine Füße. Die Perspektive ist tückisch,
    wenn man nicht daran gewöhnt ist.«
    Sie standen in einer breiten Straße, die wie eine tiefe Schlucht wirkte;
    die beiden Enden verloren sich hinter sinnigen Ecken und Winkeln in den
    Shops und Gebäuden, die beidseitig aufragten. Das Licht rieselte durch frische, grüne Pflanzenmassen auf den freitragenden Terrassen und Balkonen über ihnen. Die Sonne...
    Irgendwo da droben strahlte gleißendes, allzu grelles Licht aus dem aufgezeichneten Himmelsblau von Cannes. Er wußte, daß das Sonnenlicht eingespeist wurde mit einem Lado-Acheson-System, dessen 2-mm-Band
    sich der Länge nach durch die Spindel zog, daß ein rotierendes Spektrum
    von Himmelseffekten erzeugt wurde, daß er, würde der Himmel abgeschaltet, am Lichtband vorbei auf die geschwungenen Formen von Seen, auf die Dächer von Kasinos, auf andere Straßen sehen würde... Aber es verwirrte die Physiologie.
    »Herrgott«, sagte er, »ist ja schlimmer als SAS.«
    »Gewöhnst dich dran. Ich war hier mal 'nen Monat Leibwächter eines
    Spielers.«
    »Will mich verziehen, aufs Ohr legen.«
    »Okay. Ich hab unsre Schlüssel.« Sie tippte ihm auf die Schulter. »Was ist denn vorhin passiert, Mann. Du warst hirntot.« Er schüttelte den Kopf. »
    Weiß noch nicht genau. Abwarten.«
    »Okay. Nehmen wir ein Taxi oder so!« Sie führte ihn an der Hand über
    die Rue Jules Verne, vorbei an einem Schaufenster mit der neuesten Pariser Pelzmode.
    »Unecht«, sagte er und schaute

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