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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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abhörte, dann durch Wintermute.
    »Und war's echt?« fragte sie/den Mund voller Käse-Croissant. »Wie Simstim?«
    Er bejahte. »Echt wie das hier«, fügte er hinzu und sah sich um. »Vielleicht noch echter.«
    Die Bäume waren klein, knorrig, unmöglich alt, das Ergebnis genetischer Manipulation und chemischer Behandlung. Case wäre in Bedrängnis
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    geraten, hätte er eine Kiefer von einer Eiche unterscheiden sollen, aber
    das Stilempfinden eines Straßenjungen sagte ihm, daß diese Exemplare zu
    niedlich waren, zu eindeutig nach Baum aussahen. Zwischen den Bäumen
    spendeten auf sanften, lieblich grünenden Hügeln, deren Unregelmäßigkeit zu geplant wirkte, leuchtende Sonnenschirme den Hotelgästen Schatten vor der unablässig scheinenden Lado-Acheson-Sonne. Französisches Geplaudere an einem Nachbartisch erregte seine Neugier: die goldenen
    Kinder, die er am Abend zuvor beim Drachenfliegen über der Gischt des
    Flusses gesehen hatte. Jetzt bemerkte er, daß ihre Bräune ungleichmäßig
    war, ein Schabloneneffekt, der von selektiven MelaninVerstärkern herrührte, wobei verschiedene Töne sich in geradlinigen Mustern überlager—ten und die Muskeln einfaßten und glanzlichtartig hervorhoben. Die kleinen, festen Brüste des Mädchens, der Unterarm eines Jungen auf dem wei-
    ßen Emailtisch. Sie wirkten auf Case wie Rennmaschinen; sie hätten Stikker von ihrem Frisör verdient, vom Designer ihres weißen Segeltuch-Out—fits, vom Schöpfer ihrer Ledersandalen und ihres einfachen Schmucks. Dahinter saßen an einem ändern Tisch drei japanische Ehefrauen in Sacklei—nen aus Hiroshima, die auf ihre Sararimänner warteten-Die ovalen Gesichter waren künstlich genarbt; ein, wie er wußte, äußerst konservativer Stil, den er in Chiba selten zu Gesicht bekommen hatte.
    »Was riecht da?« fragte er Molly und rümpfte die Nase.
    »Das Gras. Riecht so, wenn's frisch gemäht ist.«
    Armitage und Riviera gesellten sich zu ihnen, als sie gerade ihren Kaffee austranken; Armitage in einer maßgeschneiderten Khakiuniform, die aussah, als wären die Regimentsstreifen gerade abgerissen worden, Riviera in einem weiten, grauen Kreppanzug, der pervers an einen Zuchthäusler erinnerte.
    »Molly, Liebes«, sagte Riviera, kaum hatte er sich auf seinem Stuhl nie—
    dergelassen, »mußt mir 'ne neue Ration meiner Medizin verabreichen. Hab
    nichts mehr.«
    »Und wenn ich nicht will, Peter?« sagte sie und lächelte dabei, ohne die
    Zähne zu zeigen.
    »Du mußt«, sagte Riviera mit einem kurzen Blick zu Armitage.
    »Gib ihm was!« sagte Armitage.
    »Mordsgeil drauf, was?« Sie zog ein flaches, in Folie gewickeltes Päckchen aus einer Tasche und warf es über den Tisch. Riviera fing es auf. »
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    Könnte sich damit umbringen«, sagte sie zu Armitage.
    »Muß heut' nachmittag probespielen«, sagte Riviera, »und in Bestform
    sein.« Er ließ das Folienpäckchen in seiner nach oben gekehrten Handflä-
    che verschwinden und lächelte. Kleine, glitzernde Insekten flatterten aus ihr hoch und lösten sich auf. Er steckte das Päckchen in die Tasche seines Kreppblousons.
    »Du hast auch 'ne Probe, Case, heut' nachmittag«, sagte Armitage. »Auf
    dem Schlepper. Du gehst gleich rüber in den Profi-Shop, läßt dir einen Va-kuumanzug anpassen und gehst dann, wenn alles sitzt, raus auf den Schlepper! Hast ungefähr drei Stunden Zeit.«
    »Wie kommt's, daß wir in der alten Mühle fahren, während ihr beide ein
    JAL-Taxi nehmt?« fragte Case, ohne Armitage anzusehn.
    »Zion hat vorgeschlagen, daß wir den Schlepper benutzen. Gute Tar—
    nung für unsre Bewegungen. Ich hab sogar ein größeres Schiff bereitste—
    hen, aber dieser Schlepper tut es auch.«
    »Wie steht's mit, mir?« fragte Molly. »Gibt's für mich heut' Arbeit?«
    »Du wanderst zum ändern Ende der Achse rauf, übst in Null-g. Morgen
    kannst du vielleicht in die andere Richtung klettern.«
    Straylight, dachte Case.
    »Wann?« fragte Case in das starrende Gesicht.
    »Bald«, sagte Armitage. »Ab mit dir, Case!«
    »Du, machste prima, du«, sagte Maelcum, der Case aus dem roten Vaku—
    umanzug half. »Aerol sagt, du machst das prima.« Aerol hatte an einer der Sportrampen am Ende der Spindel nahe der schwerelosen Achse gewartet. Um dorthin zu kommen, war Case mit einem Aufzug zur Hülle hinun—tergefahren und dann in einen Miniatur-Induktionsanzug umgestiegen. Mit
    abnehmendem Spindeldurchmesser verringerte sich die Schwerkraft; irgendwo über ihm, so schätzte er, wären die

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