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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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für mich durch!«
    »Gesagt, getan«, meinte die Flatline. Case hörte den blassen Invasion—
    ston. Er lächelte. »Erledigt. Rose Kolodny. Abgereist. Dauert ein paar Minuten, bis ich das Sicherheitsnetz entsprechend angekratzt habe, um ranzukommen.«
    »Los!«
    Das Telefon wimmerte und klickte unter dem Ansturm der Konstruktion. Case trug es ins Schlafzimmer zurück und legte den Hörer nach oben gekehrt auf den Temperschaum. Er ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Als er wieder herauskam, schaltete sich der Braun-Monitor der Audio—visionsanlage im Zimmer an. Ein japanischer Pop-Star, auf metallischen
    Kissen ruhend. Ein unsichtbarer Interviewer, der auf deutsch Fragen stellte. Case guckte. Blaue Interferenzstreifen flackerten über den Bildschirm.
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    »Case, Süßer, bist du übergeschnappt, Mann?« Die Stimme war schlep—
    pend, vertraut.
    Die verglaste Balkonwand bot wieder den Blick auf Desiderata, aber die
    Straßenszene wurde verschwommen, verzerrt, blendete über ins leere Jarre de The in Chiba. Rotes Neongekritzel, von den verspiegelten Wänden ins Unendliche vervielfacht.
    Lonny Zone, groß und leichenblaß, trat mit den trägen, fließenden Un—
    terwasserbewegungen seiner Drogensucht vor. Er stand allein zwischen
    den quadratischen Tischen, die Hände in den Taschen seiner grauen
    Kammgarnhose. »Echt, Mann, du siehst ganz schön abgehackt aus.«
    Die Stimme kam aus dem Braun-Lautsprecher.
    »Wintermute«, sagte Case.
    Der Zuhälter zuckte lässig die Achseln und lächelte.
    »Wo ist Molly?«
    »Kann dir egal sein. Du gehst heute hoch, Case. Die Flatline bimmelt
    durch ganz Freeside. Das hätte ich dir nicht zugetraut, Mann. Es paßt nicht zu deinem Profil.«
    »Dann sag mir, wo sie ist, und ich pfeif die Flatline zurück.«
    Zone schüttelte den Kopf.
    »Es gelingt dir nicht besonders gut, deine Frauen im Auge zu behalten,
    was, Case? Verlierst sie ständig auf die eine oder andre Weise.«
    »Ich fetz dir das Ding um die Ohren«, sagte Case.
    »Nein. Die Güte hast du nicht, Mann, das weiß ich. Weißt du was, Case?
    Ich schätze, du glaubst, daß ich es war, der Deane sagte, deine kleine Hure in Chiba kaltzumachen.«
    »Schluß«, sagte Case und machte unwillkürlich einen Schritt in Richtung
    Fenster.
    »Aber hab's nicht getan. Was macht das schon? Was spielt das schon für
    eine Rolle für Mr. Case? Hör auf, dir was vorzumachen! Ich kenne deine
    Linda, Mann. Ich kenne alle Lindas. Die Lindas sind ein Kollektivprodukt
    meiner Arbeitsweise. Weißt du, warum sie dich beklaut hat? Liebe. Damit
    sie dir scheißegal ist. Liebe? Willst du von Liebe reden? Sie hat dich geliebt. Das weiß ich. Sie hat dich geliebt, soweit dieses unnütze Ding lieben konnte. Du konntest damit nicht umgehen. Sie ist tot.«
    Die Faust von Case prallte von der Scheibe ab.
    »Versau dir nicht die Hände, Mann! Mußt bald in die Tasten hauen.«
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    Zone verschwand, abgelöst vom nächtlichen Freeside mit den Lichtern
    der Eigentumswohnanlagen. Der Braun schaltete sich ab. Vom Bett piepte
    leise das Telefon.
    »Case?« Die Flatline wartete. »Wo warst du? Ich hab's, aber es ist nicht
    viel.« Die Konstruktion leierte eine Adresse herunter. »Der Laden hat ein komisches Eis, das ihn als Nightclub ausweist. Das ist alles, was ich rauskriegen konnte, ohne 'ne Visitenkarte zu hinterlassen.«
    »Okay«, meinte Case. »Sag dem Hosaka, er soll Maelcum sagen, das Modem abzunehmen. Danke, Dix.«
    »Bitte.«
    Er saß lange auf dem Bett und kostete das Neue, den Schatz aus.
    Zorn.
    »He, Lupus. He, Cath, Freund Lupus hier.« Bruce stand nackt in der Tür.
    Er war triefend naß und hatte geweitete Pupillen. »Aber wir duschen gerade. Willste warten? Willste mitduschen?«
    »Nein, danke. Ich brauch Hilfe.« Er schob die Arme des Knaben beiseite
    und trat ein.
    »He, echt, Mann, wir...«
    »Helfen gern. Ihr freut euch mächtig, mich zu sehen. Weil wir Freunde
    sind, richtig? Oder etwa nicht?«
    Bruce blinzelte. »Klar.«
    Case nannte die Adresse, die er von der Flatline bekommen hatte.
    »Ich wußte, er ist 'n Gangster«, rief Cath freudig aus der Dusche.
    »Ich hab 'ne Dreirad-Honda«, sagte Bruce mit einem öden Grinsen.
    »Gehn wir!« sagte Case.
    »In dem Geschoß sind die Kabinen«, sagte Bruce, nachdem er sich die
    Adresse von Case zum achten Mal hatte wiederholen lassen. Er stieg wieder in die Honda. Kondenswasser tropfte vom Auspuff der Wasserstoffzel—le, als das rote Fiberglas-Chassis auf den verchromten

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