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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Stoßdämpfern
    schaukelte. »Wird's lang dauern?«
    »Weiß nicht. Aber ihr wartet.«
    »Wir warten, klar.« Er kratzte sich die nackte Brust.
    »Der letzte Teil der Adresse ist wohl eine Kabinennummer. Dreiundvierzig.«
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    »Wirst du erwartet, Lupus?« Cath streckte den Hals und spähte über die
    Schulter von Bruce. Ihr Haar war unterwegs getrocknet.
    »Eigentlich nicht«, sagte Case. »Das ist mein Problem.«
    »Geh einfach ins unterste Geschoß und such die Kabine. Wenn man dich
    reinläßt, prima. Wenn nicht...«
    Sie zuckte die Achseln.
    Case wandte sich ab und stieg eine schmiedeeiserne Wendeltreppe mit
    Blumenornamenten hinunter. Nach sechs Wendungen kam er in einen
    Nightclub. Er blieb stehen, steckte sich eine Yeheyuan an und blickte über die Tische. Plötzlich machte Freeside für ihn Sinn. Geschäft. Die Luft knisterte förmlich davon. Hier war die Action. Nicht die Hochglanzfassaden der Rue Jules Verne, sondern das hier war das Gelbe vom Ei. Kommerz.
    Der Reigen. Das gemischte Publikum bestand etwa zur Hälfte aus Touristen, zur ändern Hälfte aus Inselbewohnern.
    »Runter«, sagte er zu einem vorbeikommenden Kellner. »Ich will runter.«
    Er zeigte seinen Freeside-Chip. Der Mann deutete in den hinteren Teil des Clubs.
    Er ging rasch an den voll besetzten Tischen vorbei, hörte Gesprächsfet—
    zen in einem halben Dutzend europäischer Sprachen.
    »Will 'ne Kabine«, sagte er zur Frau, die am niedrigen Tisch saß und ein
    Terminal auf dem Schoß hatte. »Untergeschoß.« Er reichte ihr seinen Chip.
    »Besondere Wünsche zum Geschlecht?« Sie strich mit dem Chip über
    eine Glasplatte an der Frontseite des Terminals.
    »Weiblich«, sagte er automatisch.
    »Nummer fünfunddreißig. Benutzen Sie das Telefon, wenn Sie nicht zu—
    frieden sind. Sie können sich im voraus ansehen, was wir anzubieten haben, wenn Sie möchten.« Lächelnd gab sie ihm den Chip zurück.
    Hinter ihr ging ein Lift auf.
    Der Korridor war blau beleuchtet. Case trat aus dem Lift und entschied
    sich für eine Richtung. Numerierte Türen. Stille wie in den Hallen einer
    teuren Klinik.
    Er fand seine Kabine, während er nach derjenigen von Molly suchte. Verwirrt hob er seinen Chip und drückte ihn gegen den schwarzen Sensor direkt unter dem Nummernschild.
    Magnetschloß. Das Geräusch erinnerte ihn an das Cheap Hotel.
    Das Mädchen auf dem Bett setzte sich auf und sprach ihn auf deutsch
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    an. Ihr Blick war gelöst. Sie blinzelte nicht. Automatiksteuerung. Ner—
    venunterbrechung. Er trat zurück und schloß die Kabinentür.
    Die Tür von Kabine dreiundvierzig war wie die andern. Er zögerte. Die
    Stille im Korridor ließ darauf schließen, daß die Kabinen schalldicht waren. Sinnlos, es mit dem Chip zu versuchen. Er klopfte mit den Handknö-
    cheln gegen das beschichtete Metall. Nichts. Die Tür schien jedes Geräusch zu schlucken.
    Er drückte den Chip gegen die schwarze Platte.
    Die Bolzen klickten.
    Sie hatte ihn irgendwie getroffen, bevor die Tür ganz offen war. Er war
    auf den Knien, die Stahltür im Rücken. Zentimeter vor seinen Augen tanzten die Klingen ihrer steifen Daumen...
    »Herrgott«, sagte sie und knuffte ihn ins Gesicht, als er aufstand. »Idiotisch von dir, das zu probiern. Wie, zum Teufel, hast du die Schlösser auf-bekommen, Case? Bist du okay?« Sie beugte sich über ihn.
    »Chip«, sagte er, nach Luft schnappend. Schmerz breitete sich von seiner Brust aus. Sie half ihm auf die Beine und schob ihn in die Kabine.
    »Hast du die Angestellte oben bestochen?«
    Er schüttelte den Kopf und fiel aufs Bett.
    »Einatmen. Zählen. Eins, zwei, drei, vier. Luft anhalten. Jetzt ausatmen.
    Zählen.«
    Er hielt sich den Bauch.
    »Hast mich getreten«, keuchte er.
    »Hätte tiefer zielen sollen. Will allein sein. Meditiere, klar?« Sie setzte sich neben ihn. »Und bekomme eine Einweisung.« Sie deutete auf einen kleinen Monitor, der gegenüber dem Bett in die Wand eingelassen war.
    »Wintermute klärt mich über Straylight auf.«
    »Wo ist die Fleischpuppe?«
    »Keine da. Das ist der überhaupt teuerste Sonderwunsch.« Sie stand auf.
    Ihre Lederhose und ein weites, dunkles Hemd hatte sie an. »Morgen geht's
    los, sagt Wintermute.«
    »Was sollte das Ganze im Restaurant? Wieso bist du davongelaufen?«
    »Wenn ich geblieben wäre, Case, hätte ich Riviera wohl umgebracht.«
    »Warum?«
    »Was er mir angetan hat. Die Show.«
    »Kapier ich nicht.«
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    »Es kostet 'ne Menge«, sagte sie und streckte die rechte Hand aus,

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