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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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seinen brummen—
    den Kopf und spuckte in den See.
    Er konnte sich das Ende, das Finale ausmalen. Es steckte eine perverse
    Symmetrie dahinter: Riviera fügt das Traummädchen zusammen, das
    Traummädchen zerlegt ihn. Mit diesen Händen. Traumblut auf der brüchigen Spitze.
    Jubel aus dem Restaurant, Applaus. Case richtete sich auf und streifte
    mit den Händen die Kleidung glatt. Er drehte sich um und ging ins Vingtième Siècle zurück.
    Mollys Stuhl war leer. Die Bühne ebenfalls. Armitage saß allein am
    Tisch, noch immer auf die Bühne starrend und die Hände am Weinglasstiel.
    »Wo ist sie?« fragte Case.
    »Fort«, antwortete Armitage.
    »Ihm nach?«
    »Nein.« Ein feines Klirr. Armitage blickte aufs Glas. In der Linken hielt er die rotweingefüllte Glasschale. Der abgebrochene Stiel ragte wie ein Eis-zapfen empor. Case nahm ihm die Schale aus der Hand und stellte sie in ein Wasserglas.
    »Sag mir, wo sie hin ist, Armitage.«
    Die Beleuchtung ging an. Case blickte in die hellen Augen. Nichts zu sehen. »Sie bereitet sich vor. Wirst sie nicht mehr sehen. Wenn das Ding
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    läuft, seid ihr wieder beisammen.«
    »Warum hat Riviera ihr das angetan?«
    Armitage stand auf und ordnete das Revers seines Jacketts. »Schlaf dich
    aus, Case!«
    »Geht's morgen los?«
    Armitage lächelte sein nichtssagendes Lächeln und marschierte zum
    Ausgang.
    Case rieb sich die Stirn und blickte sich um. Die Gäste erhoben sich; die Damen lächelten über die Scherze der Männer. Erst jetzt bemerkte er den diskret abgedunkelten Balkon, wo noch die Kerzen brannten. Er hörte das
    Klappern von Tafelsilber, gedämpfte Unterhaltung. Die Kerzen warfen gaukelnde Schatten an die Decke.
    Das Mädchengesicht erschien so unvermittelt wie eine von Rivieras Pro—
    jektionen. Die schmalen Hände auf dem glänzenden Holzgeländer, beugte
    sie sich vor und schaute aus dunklen Augen verzückt, wie er glaubte, herunter. Zur Bühne. Es war ein bezauberndes Gesicht, aber kein ausgespro—chen hübsches. Ovale Form, hohe Wangenknochen, die erstaunlich fragil
    wirkten, breiter, strenger Mund, zu dem die schmale Hakennase mit bau—
    chigen Flügeln merkwürdigen Ausgleich schaffte. Schon war sie wieder
    weg: eingetaucht ins vertraute Gelächter und in den Tanz der Kerzen.
    Als er das Restaurant verließ, bemerkte er die zwei jungen Franzosen
    mit ihrer Freundin, die auf ein Boot zum andern Ufer und nächsten Kasino
    warteten.
    Es war still in ihrem Zimmer und der Temperschaum glatt wie ein
    Strand nach der Flut. Ihre Tasche war weg. Er suchte nach einer Nachricht.
    Nichts. Es dauerte eine Weile, bis er in seiher Aufregung und Enttäuschung die Szene hinterm Fensterglas registrierte. Er blickte auf und sah Desiderata, teure Geschäfte: Gucci, Tsuyako, Hermes, Liberty.
    Er guckte und ging dann kopfschüttelnd zu einer Schalttafel, mit der er
    sich noch nicht befaßt hatte. Er stellte das Hologramm ab und wurde be—
    lohnt mit dem Blick auf die Eigentumswohnanlagen, die terrassenartig
    den ändern Hang bedeckten.
    Mit dem Telefon bewaffnet, trat er auf den kühlen Balkon hinaus. »
    Brauch 'ne Nummer für die Marcus Garvey«, sagte er zum Deck. »Das ist ein Schlepper, von Zion kommend und so registriert.«
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    Die Chipstimme nannte eine zehnstellige Nummer. »Sir«, fügte sie hinzu, »die Registrierung lautet allerdings auf Panama.«
    Maelcum nahm beim fünften Klingelton ab. »Jo?«
    »Case. Hast du ein Modem, Maelcum?«
    »Jo. Am Navigationscomputer, weißt schon.«
    »Kannst du das abnehmen, Mann? Steck's an meinen Hosaka! Dann
    schalt das Deck ein! Ist der geriffelte Knopf.«
    »Wie geht's dir da drin, du?«
    »Nun, ich brauch Hilfe.«
    »Schon unterwegs, du. Hol das Modem!«
    Case lauschte dem statischen Rauschen, während Maelcum den einfachen Telefonkoppler dranhängte. »Hacken«, sagte er zum Hosaka, als er ihn piepen hörte.
    »Du sprichst von einem stark überwachten Ort aus«, teilte der Computer pedantisch mit.
    »Scheiße«, sagte er. »Vergiß das Eis! Kein Eis. Schalt die Konstruktion zu!
    Dixie?«
    »He, Case.« Die Flatline sprach durch den Sprach-Chip des Hosaka, wobei der sorgsam konstruierte Akzent völlig verlorenging.
    »Dix, du wirst jetzt hier einsteigen und was für mich rausholen! Meinetwegen ganz offen. Molly ist irgendwo hier drin, und ich will wissen wo. Ich bin in 335W, im Intercontinental. Sie war hier auch angemeldet, aber ich weiß nicht, unter welchem Namen. Steig über die Leitung ein und geh ihre Aufzeichnungen

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