Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
zu hören. »Wir hatten uns mit jemandem arrangiert, so daß wir die Herkunft seiner gespeicherten Daten nachvollzie—hen konnten. Legten alles auf Band und fingen an, ausgewählte Kunden,
    Exkunden, unter Druck zu setzen. Ich war Abkassierer, Muskelprotz, Wach—hund. War echt glücklich. Schon mal glücklich gewesen, Case? Er war
    mein Mann. Wir arbeiteten zusammen. Partner. War vielleicht seit acht
    Wochen aus dem Puppenhaus, als ich ihn traf...« Sie machte eine Pause, 169
    bog vorsichtig um eine enge Kurve und ging weiter. Wieder glänzende
    Holzschaukästen in einem Farbton, der ihn an die Flügel von Küchenschaben erinnerte.
    »War kuschelig, süß; so gingen die Tage dahin. Niemand konnte uns was
    tun. Dafür sorgte ich schon. Yakuza. Schätze, sie wollten noch immer Johnnys Arsch. Weil ich ihren Mann umgebracht hatte. Weil Johnny sie verbra—ten hatte. Und so'n Yak kann es sich leisten, verdammt langsam vorzuge—hen, kann Jahre warten. Lassen dir ein ganzes Leben Zeit, damit du mehr zu verlieren hast, wenn sie kommen und es dir wegnehmen. Geduld
    wie'ne Spinne, Zen-Spinne.
    Ich wußte das damals nicht, oder redete mir wenigstens ein, es treffe
    nicht auf uns zu. Weißt du, wenn du jung bist hältst du dich für einzigartig.
    Ich war jung. Dann kamen sie. Wir dachten, wir hätten jetzt genug, um
    aufzuhören, die Koffer zu packen und vielleicht nach Europa zu gehn. Freilich wußten wir nicht, was wir dort tun sollten, da wir nichts mehr zu tun brauchten. Wir lebten üppig. Schweizer Orbitalkonten und eine Bude voller Zeug und Möbel. Macht dein Spiel fad. Den ersten, den sie schickten, das war ein heißer Knabe. Reflexe, so was haste noch nicht gesehen. Implantate und 'nen Stil, der für zehn gewöhnliche Schläger gereicht hätte.
    Aber der zweite, ich weiß nicht, der war wie'n Mönch. Geklont. Mit jeder Zelle durch und durch Killer. Steckte in ihm, der Tod, diese Stille, die ihn wie'ne Wolke umgab...« Sie verstummte, als der Korridor sich an zwei identischen Treppen gabelte. Sie nahm die linke.
    »Einmal, ich war noch'n kleines Kind, wohnten wir illegal in einer Hütte, die uns nicht gehörte, drunten beim Hudson, und die Ratten, Mann, die waren echt riesig. Kommt von den Chemikalien, die sie aufnehmen. Waren so groß wie ich. Eine scharrte die ganze Nacht unter dem Boden der Hütte. Gegen Morgengrauen schleppte jemand so'nen alten Mann an mit faltigen Backen und roten Augen. Hatte ein öliges Lederbündel dabei, wo man Stahlwerkzeug einwickelt damit's nicht rostet. Rollte es auf, hatte 'nen alten Revolver mit drei Patronen drin. Der alte Mann legt 'ne Patrone ein und marschiert in der Hütte hin und her. Wir halten uns dicht an den Wänden auf.
    Hin und Her. Arme verschränkt Kopf nach unten. Knarre hat er scheinbar vergessen. Horcht nach der Ratte. Wir sind mucksmäuschenstill. Der alte Mann macht 'nen Schritt. Ratte bewegt sich. Ratte bewegt sich, er macht 170
    'nen Schritt. So geht das 'ne Stunde. Dann fällt ihm wohl seine Knarre wieder ein. Er zielt auf den Böden, lächelt und drückt ab. Wickelt sie wieder ein und verschwindet.
    Später kroch ich runter. Die Ratte hatte ein Loch zwischen den Augen.«
    Sie musterte die hermetisch verschlossenen Türen entlang des Korridors.
    »Der zweite, der kam, um Johnny zu kriegen, war wie dieser alte Mann.
    Nicht alt, aber sonst gleich. Tötete auf diese Weise.« Der Korridor wurde breiter. Das Meer von Teppichen wellte sich unter einem riesigen Lüster, dessen unterstes Kristallgehänge fast bis zum Boden reichte. Kristall klirrte, als Molly die Halle betrat. DRITTE TÜR LINKS blinkte die Anzeige.
    Sie bog nach links, ging um den kopfstehenden Kristallbaum herum. »
    Sah ihn nur ein Mal. Auf dem Weg in unsre Behausung. Er kam gerade
    raus. Wir wohnten in einer umgebauten Fabrik. Zusammen mit vielen jungen Karrieretypen von Sense/Net und so. Zum einen war der Laden ziemlich gut gesichert. Zum ändern hatte ich echte Hämmer eingebaut, um die Bude wirklich dicht zu machen. Ich wußte, daß Johnny droben war. Aber
    dieser Zwerg, der sah mich, als er rauskam. Sagte kein Wort. Wir blickten uns nur an, und ich wußte es. Schlichter, kleiner Typ, schlichte Kleidung, keinen Stolz in der Brust, bescheiden. Sah mich an und stieg in eine Rik—scha. Ich wußte es. Ging hoch. Johnny saß in einem Sessel beim Fenster, den Mund leicht geöffnet, als hätte er noch was sagen wollen.«
    Die Tür vor ihr aus geschnitztem thailändischen Teakholz war alt. Offenbar war sie

Weitere Kostenlose Bücher