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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Schulterpartie
    seines alten Sanyo hinweg, wie Case sich aus seinem g-Netz kämpfte.
    »Und mach mir das gottverdammte Ding ab...« Er zerrte am Texas-Katheter. »So'n langsam wirkendes Gift, und das Arschloch droben kennt das Gegenmittel und ist inzwischen verrückter als 'ne Scheißhausratte.«
    Er hantierte an der Vorderseite seines roten Sanyo herum, hatte glatt
    vergessen, wie das Ding zuging.
    »Der Boß, der hat dich vergiftet?« Maelcum kratzte sich die Backe. »Hab 'ne Bordapotheke, weißt du?«
    »Maelcum, Herrgott, hilf mir mit dem verdammten Anzug!«
    Der Zionit stieß sich vom pink Pilotenmodul ab. »Immer mit der Ruhe,
    du. Eile mit Weile, sagt der Weise. Wir kommen schon noch rauf...«
    Es war Luft in der gewellten Gangway, die von der Heckschleuse der
    Marcus Garvey zur Mittelschleuse der Jacht Haniwa führte, aber dennoch hielten sie ihre Anzüge geschlossen. Maelcum meisterte das Übersetzen mit der Anmut einer Ballerina und hielt nur inne, um Case behilflich zu sein, der mit Verlassen der Garvey unbeholfene Purzelbäume schlug. Die weißen Plastikseiten der Röhre filterten das rohe Sonnenlicht; es gab keine Schatten.
    Der Luftschleusendeckel der Garvey war geflickt und zerfressen und mit einem lasergestanzten Löwen von Zion versehen. Die Mittelluke der Haniwa war hellgrau, blank und wie neu. Maelcum griff mit dem Handschuh in 188
    eine schmale Nische. Case sah, wie seine Finger sich bewegten. Rote LEDs
    in der Nische leuchteten auf und absolvierten einen Countdown von fünfzig abwärts. Maelcum zog die Hand zurück. Case, der sich mit einem Handschuh gegen die Luke stemmte, spürte die Vibration der Schließvor—richtung durch Anzug und Knochen. Das runde Segment in der grauen Hülle begann sich seitlich in die Haniwa zu schieben. Maelcum hielt sich mit der einen Hand in der Vertiefung fest und packte mit der ändern Case. Die Schleuse saugte sie hinein.
    Die Haniwa stammte aus den Dornier-Fujitsu-Werken; ihre Innenausstattung ließ die gleiche Produktphilosophie erahnen wie der Mercedes, der sie durch Istanbul chauffiert hatte. Die schmale Mittelschleusenkammer war mit Ebenholznachbildung furniert und hatte einen grauen Marmorboden. Case bekam das Gefühl, durch die Dusche in das persönliche Bad eines Reichen einzusteigen. Die Jacht, im Orbit montiert, war nicht für den Wiedereintritt bestimmt. Ihre schlichte, fließende Wespenförm erweckte wie die Innenausstattung insgesamt einen flotten, schnittigen Eindruck.
    Als Maelcum seinen verbeulten Helm absetzte, folgte Case seinem Beispiel. Da hingen sie nun in der Schleuse und atmeten die Luft, die leicht nach Kiefernholz roch. Dazu der Gestank schmorender Kabel.
    Maelcum rümpfte die Nase. »Haben Ärger hier, du. So was riecht man
    auf jedem Schiff...«
    Eine Tür, mit dunkelgrauem Ultravelour bezogen, glitt leise zurück.
    Maelcum stieß sich von der Ebenholzwand ab und segelte problemlos
    durch die schmale Öffnung, wobei er im letzten Moment die breiten
    Schultern einzog, um nicht anzustoßen. Case folgte ihm schwerfällig, indem er sich Hand über Hand an dem hüfthohen, gepolsterten Geländer entlangzog. »Brücke«, sagte Maelcum und deutete in einen nahtlosen,
    cremefarbenen Korridor, »wird dort sein.« Mit einem gewandten Fußtritt
    setzte er sich in Bewegung. Von irgendwo weiter vorne hörte Case das
    vertraute Geratter eines Printers beim Ausdrucken. Das Geräusch wurde
    lauter, als er Maelcum durch eine weitere Tür folgte. Es empfingen sie
    herumwirbelnde Massen von Endlospapier. Case schnappte sich einen Fetzen davon und warf einen Blick darauf.
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    »Störung?« Der Zionit deutete mit dem behandschuhten Finger auf die
    Reihe von Nullen.
    »Nein«, sagte Case, der nach seinem davonschwebenden Helm griff, »die
    Flatline sagte, Armitage lieferte den Hosaka, den er hier hatte.«
    »Riecht, als hätt er ihn mit 'nem Laser geliefert, verstehste?« Der Zionit stemmte den Fuß gegen das weiße Gestell eines schweizerischen Fitness—geräts und schoß durch das treibende Papiergewirr, das er mit den Händen aus dem Gesicht räumte.
    »Case, du...«
    Der Mann, ein kleiner Japaner, war am Hals mit einem dünnen Draht an
    den Rücken eines fixierten Stuhls gebunden. Der Draht war auf dem
    schwarzen Temperschaum der Kopfstütze unsichtbar und hatte sich tief, in
    seinen Kehlkopf geschnitten. Ein einziger Blutstropfen war dort ausgetre—
    ten und zu einem seltsamen Edelstein, einer rotschwarzen Perle

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