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Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Boden war hier aus rauhem Mondbeton,
    und es roch harzig. »Scheiße, Mann, ich weiß nicht mal, ob du mir
    zuhörst.«
    CASE.
    Sie zuckte zusammen, rappelte sich auf die Beine, nickte. »Was hat er
    dir erzählt, Wintermute, Mann? Hat er das mit Marie-France erzählt? Sie
    war die Tessier-Hälfte, 3Janes genetische Mutter. Und von der toten Puppe von Ashpool, schätze ich. Ist mir ein Rätsel, warum er mir das gesagt hat in der Kabine drunten... 'ne Menge Zeug. Warum er als Finne oder sonst—wie erscheint, das hat er mir erklärt. Es ist nicht nur eine Maske. Er verwendet Quasi echte Profile als Ventil, als Obersetzung, um mit uns kom—munizieren zu können. Sprach von Schablone. Persönlichkeitsmodell.« Sie
    zog ihre Flechette und hinkte den Korridor hinunter.
    Blanker Stahl, und schuppiges Epoxid endeten plötzlich, abgelöst von
    einem groben Tunnel, der in massiven Fels gesprengt war, wie Case zunächst glaubte. Als Molly den Rand untersuchte, stellte er fest, daß der Stahl in Wirklichkeit mit einer Masse beschichtet war, die aussah und sich anfühlte wie kalter Stein. Sie ging in die Knie und inspizierte den dunklen Sand, der den Boden des künstlichen Tunnels bedeckte. Er fühlte sich kühl und trocken wie Sand an, aber als sie mit den Fingern hindurchstrich, floß er wie Wasser zusammen, so daß eine glatte Oberfläche zurückblieb. Ein Dutzend Meter weiter vorn beschrieb der Tunnel eine Kurve. Grelles gelbes Licht warf harte Schatten auf den fugigen Kunststein der Wände. Erschrocken bemerkte Case, daß die Schwerkraft hier dem Normalwert auf der Erde entsprach, was bedeutete, daß Molly nach der Kletterpartie wieder einen Abstieg vor sich hätte. Er kannte sich nicht mehr aus; Desorientierung war ein besonderer Horror für einen Cowboy.
    Aber Molly kannte sich aus, sagte er sich.
    Es huschte etwas zwischen ihre Beine hindurch und stakte tickend über
    den Nichtsand-Boden. Eine rote LED blinkte. Der Braun.
    Das erste Holo, eine Art Dreiergruppe, erwartete sie unmittelbar hinter
    der Kurve. Sie hatte die Flechette darauf gerichtet, bevor er erkannte, daß 200
    das Gebilde eine Aufzeichnung war. Die Gestalten waren Karikaturen aus
    Licht, lebensgroße Cartoons: Molly. Armitage und Case. Mollys Brüste,
    durch das straffe, schwarze Netzgewebe unter der schweren Lederjacke
    sichtbar, waren zu groß. Ihre Taille war unwahrscheinlich schmal. Verspiegelte Linsen bedeckten das halbe Gesicht. Sie hielt eine unmöglich überla-dene Waffe, eine Pistole, deren Form fast nicht mehr zu erkennen war an—gesichts der aufgeflanschten Zielfernrohre und Schall-und Mündungsfeu—
    erdämpfer. Die Beine waren gespreizt, der Unterleib vorgewölbt, der
    Mund zum blöden, grausamen, lüsternen Grinsen erstarrt. Neben ihr stand
    Armitage in steifer Achtungshaltung mit einer abgetragenen Khakiuniform.
    Seine Augen waren, wie Case sah, als Molly nähertrat, winzige Bildschirme, über die blau-graue Szenen flimmerten: eine zugige Schneewüste, durchsetzt von fleckigen, schwarzen Nadelbäumen, die sich stumm im
    Wind beugten.
    Sie griff mit den Fingerspitzen durch Armitages Fernsehaugen hindurch
    und wandte sich dann der Case-Figur zu. Hier hatte Riviera - und Case
    wußte sofort, daß Riviera dahintersteckte - offenbar nichts gefunden, das einer Parodie würdig wäre. Die Figur, die da stand, entsprach dem, was er täglich im Spiegel sah. Mager, schmalschultrig, unauffällig die Visage unter dem kurzen, dunklen Haar. Er brauchte eine Rasur, was freilich nicht ungewöhnlich war.
    Molly trat zurück. Ihr Blick wanderte von einer Figur zur nächsten. Es
    war eine statische Darstellung; die einzige Bewegung war das Schaukeln
    der schwarzen Bäume in Armitages frostklirrenden, sibirischen Augen.
    »Willste uns was sagen damit, Peter?« fragte sie leise. Dann trat sie vor und stieß mit dem Fuß gegen etwas zwischen den Beinen der Holo-Molly.
    Etwas Metallisches klirrte gegen die Wand, und die Figuren waren weg.
    Sie bückte sich nach dem kleinen Projektor. »Schätze, er kann sich da einstecken und sie direkt programmieren«, sagte sie, worauf sie das Ding fortwarf.
    Sie passierte die Quelle des gelben Lichts, eine altertümliche Glühbirne, die in die Wand eingelassen und mit einem rundgebogenen, rostigen Gitter gesichert war. Die behelfsmäßige Lampe erinnerte Case irgendwie an seine Kindheit. Er mußte an die Festungen denken, die er mit anderen Kindern auf Dächern und in überschwemmten Kellern gebaut hatte. Versteck eines

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