Neuromancer
Sony Mao in den alten Shaw-Videos, Mickey Chiba, die
ganze Reihe zurück zu Lee und Eastwood. Sie ging es an, wie sie es sagte.
Lady 3Jane Marie-France Tessier-Ashpool hatte sich eine flache Landschaft geschaffen, die an der Innenfläche der Straylight-Hülle anlag, indem sie das Mauergewirr aus ihrem Legat verbannte. Sie lebte in einem einzigen Raum, der so breit und tief war, daß der Hintergrund sich am umge-kehrten Horizont auflöste, indem die Krümmung der Spindel den Boden verschwinden ließ. Die Decke war niedrig und unregelmäßig, gefertigt aus dem gleichen Kunststein, der die Wände bekleidete. Hie und da standen
hüfthohe, kantige Mauerreste, die an das Labyrinth erinnerten. Da war ein türkiser, rechteckiger Swimmingpool zehn Meter vor dem Treppenfuß, dessen Unterwasserstrahler die einzige Lichtquelle der Wohnung bildeten,
wie es Case zumindest vorkam, als Molly den letzten Schritt tat. Der Pool warf tanzende Lichtreflexe an die Decke darüber.
Sie warteten beim Pool.
Er wußte, daß ihre Reflexe auffrisiert, neurochirurgisch fürs Kämpfen
aufgemöbelt waren, aber hatte sie noch nicht per Simstim-Übertragung erlebt. Es lief ab wie ein Band, das mit halber Geschwindigkeit gespielt wird: ein langsamer, besonnener Tanz,... vom Killerinstinkt und jahrelangen Training choreographiert. Anscheinend erfaßte sie das Trio mit einem einzigen Blick: den Jungen, der am erhöhten Poolrand ruhte, das Mädchen, das überm Weinglas grinste, und den Leichnam von Ashpool, dessen entstellte linke Augenhöhle schwarz gähnte über dem Willkommenslächeln. Er trug
seine kastanienbraune Robe. Seine Zähne waren sehr weiß.
Der Junge hechtete. Schlank, braun, Figur und Haltung perfekt. Die Granate hatte sich von ihrer Hand gelöst, bevor seine Finger das Wasser zer—teilen konnten.
Case wußte, was für ein Ding das war, als es ins Wasser schlug. Ein hoch—
explosiver Kern, umwickelt mit zehn Meter Draht, feinem, sprödem
Stahldraht.
Ihre Flechette heulte auf; sie jagte einen Hagel von explosiven Pfeilen in Ashpools Gesicht und Brust, und er war weg; Rauch wirbelte von der zer—ballerten Lehne des weißbeschichteten Liegestuhls auf.
Der Lauf richtete sich auf 3Jane, als die Granate detonierte; das Wasser
bäumte sich auf, symmetrisch wie eine Hochzeitstorte, sackte in sich zu—
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sammen und fiel zurück, aber der Fehler war gemacht.
Hideo hatte sie bisher noch nicht einmal angerührt. Ihr Bein klappte zusammen.
In der Garvey schrie Case auf.
»Hast lange genug gebraucht«, sagte Riviera, der ihre Taschen durchsuchte. Ihre Hände steckten bis zum Handgelenk in einem mattschwarzen Ball von der Größe einer Bowlingkugel. »Sah mal 'nen Mordanschlag in An—kara«, sagte er, während er mit den Fingern die Sachen aus ihren Taschen
zog. »Mit 'ner Granate. Im Pool. War anscheinend 'ne ziemlich schwache
Explosion, aber alle waren auf der Stelle tot. Hydrostatischer Schock.«
Case spürte, wie sie prüfend die Finger bewegte. Das Material der Kugel
schien nicht mehr Widerstand zu bieten als Temperschaum. Der Schmerz
in ihrem Bein war unerträglich, unmöglich. Ein rotes Moire41 zuckte durch ihr Blickfeld. »Würd sie nicht bewegen, wenn ich du war.« Das Innere der Kugel schien sich etwas zu verfestigen. »Ist'n Sexspielzeug, das Jane in Berlin gekauft hat. Fuchtel 'ne Weile rum, und es zerquetscht sie dir zu Mus.
Variante des Materials, aus dem dieser Boden besteht. Hat was mit den
Molekülen zu tun, nehm ich an. Hast du Schmerzen?«
Sie stöhnte.
»Hast dir anscheinend das Bein verletzt.« Seine Finger entdeckten in der
linken Gesäßtasche ihrer Hose das flache Drogenpäckchen. »So. Letzte
Kostprobe von Ali, und grade noch rechtzeitig.«
Das zuckende, blutige Geflecht fing zu wirbeln an.
»Hideo«, sagte eine andere Stimme, eine weibliche, »sie wird ohnmächtig. Gib ihr was! Auch gegen die Schmerzen. Sie ist sehr attraktiv, findest du nicht auch, Peter? Diese Gläser, sind die in Mode, wo sie herkommt?«
Kühle Hände ohne Hast, sicher wie Arzthände. Das Pieken einer Nadel.
»Keine Ahnung«, sagte Riviera. »Kenn ihre Heimat nicht. Die haben mich
aus der Türkei abgeschleppt.«
»Das Sprawl, ja. Wir haben Interessen dort. Und einmal haben wir Hideo
hingeschickt. War eigentlich mein Fehler. Ließ jemand rein, 'nen Einbrecher. Der klaute das Familienterminal.« Sie lachte. »Ich machte es ihm einfach. Um die ändern zu ärgern. War'n hübscher Knabe, mein Einbrecher.
Kommt sie zu
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