Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuromancer

Neuromancer

Titel: Neuromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
arbeitslos«,
    sagte Case.
    »Das wünsch dir mal. Warte, bis du das Ding rauf durchs schwarze Eis
    steuerst.«
    »Klar.«
    Etwas Kleines und eindeutig Nichtgeometrisches war gerade am fernen
    Ende eines der smaragdgrünen Bögen aufgetaucht.
    »Dixie...«
    »Ja. Schon gesehn. Weiß nicht, ob ich's glauben soll.«
    Ein bräunlicher Fleck, eine dunkle Mücke vor der grünen Wand des T-A—
    Kerns. Das Ding näherte sich über die Brücke, die Kuang Grade Mark 11
    errichtet hatte, und Case sah, daß es auf Beinen ging. Als es heranmar—
    schierte, dehnte sich der grüne Abschnitt des Bogens aus und rollte das
    Farbenspiel des Virusprogramms bis auf wenige Schritte vor den rissigen,
    schwarzen Schuhen zurück.
    »Muß ich dir überlassen, Boß«, sagte die Flatline, als der gedrungene,
    schlampige Finne scheinbar bis auf wenige Meter herangekommen war. »
    So was Komisches hab ich zu meinen Lebzeiten nie zu Gesicht
    bekommen.« Aber das schaurige Nicht-Lachen blieb aus.
    »Mein erster Versuch in der Richtung«, sagte der Finne zähnebleckend,
    die Hände in den Taschen seiner ausgefransten Jacke.
    »Du hast Armitage umgebracht«, sagte Case. »Corto. Ja. Armitage war
    bereits dahin. Mußt ich tun. Ich weiß, ich weiß, du willst das Enzym haben.
    Okay. Kein Problem. Von mir hat er's überhaupt, Armitage. Ich meine, ich
    habe ihm gesagt, was er verwenden soll. Aber ich glaube, es wird besser
    sein, wenn wir's bei unserm Deal belassen. Du hast genug Zeit. Ich werd's dir geben. Sind nur noch 'n paar Stunden, richtig?«
196
    Case beobachtete den blauen Qualm, der sich im Cyberspace ausbreitete, als der Finne sich eine seiner Partagas anzündete.
    »Ihr Typen«, sagte der Finne, »ihr seid 'ne Plage. Die Flatline hier, tja, wenn du wie er wärst, dann war's ein Kinderspiel. Er ist konstruiert, nur'n Haufen ROM. Er macht immer, was ich will. Meine Hochrechnung besagte, die Wahrscheinlichkeit, daß sich Molly in den großen Abgang von Ashpool einschleichen würde, sei sehr gering, um nur ein Beispiel zu geben.« Er
    seufzte.
    »Warum wollte er sich das Leben nehmen?« fragte Case.
    »Warum nimmt jemand sich das Leben?« Die Gestalt zuckte mit den
    Achseln. »Ich schätze, ich weiß, warum jemand so was tut, aber es würde
    einen halben Tag dauern, dir die verschiedenen Faktoren in seiner Vergangenheit und ihre ineinandergreifende Wirkung zu erläutern. Er war seit langem dazu entschlossen, ging aber jedesmal wieder in die Gefrierkam—mer zurück. Herrgott, er war ein lästiger alter Arsch.« Der Finne verzog an-gewidert das Gesicht. »Es hängt hauptsächlich alles damit zusammen, warum er seine Frau umgebracht hat, um es auf die Schnelle zu erklären. Aber endgültig aus der Bahn warf es ihn, als die kleine 3Jane eine Möglichkeit fand, das Programm zu manipulieren, das seinen Kälteschlaf steuerte.
    Auch raffiniert. Im Grunde hat sie ihn also umgebracht. Freilich glaubte er, sich selber umgebracht zu haben, während deine Freundin, der Racheen-gel, ebenfalls meint, ihn mit einer Ladung Schaltiergift ins Auge getötet zu haben.« Der Finne warf seine Kippe die Matrix hinunter. »Nun, eigentlich glaube ich, daß ich 3Jane den entscheidenden Tip, ein bißchen was vom alten Gewußt-wie, verraten habe, verstehst du?«
    »Wintermute«, sagte Case, der seine Worte bedachtsam wählte, »du
    hast mir gesagt, du bist nur ein Teil von was anderem. Danach, hast du gesagt, wirst du nicht mehr existieren, wenn das Ding läuft und Molly das Wort in den richtigen Schlitz kriegt.«
    Der Finne nickte mit seinem windkanalprofilierten Kopf.
    »Okay, mit wem haben wir es dann zu tun? Wenn Armitage tot ist und
    du verschwunden bist, wer wird mir dann verraten, wie ich diese Scheiß-
    toxinsäckchen aus dem Kreislauf bekomme? Wer wird Molly da wieder
    rausholen? Ich meine, wo genau, wo genau werden wir Ärsche hocken,
    wenn wir dich von der Festverdrahtung loshacken?«
    Der Finne zog einen hölzernen Zahnstocher aus der Tasche und muster—
197
    te ihn kritisch, wie ein Chirurg sein Skalpell prüft. »Gute Frage«, sagte er schließlich.
    »Kennst du den Lachs? Den Fisch? Der Lachs, weißt du, steht unter dem
    Zwang, gegen den Strom zu schwimmen. Kapiert?«
    »Nein«, sagte Case.
    »Nun, ich stehe auch unter Zwang. Und ich weiß nicht warum. Wollte
    ich dich meinen eigenen Überlegungen oder gewissermaßen Spekulatio—
    nen dazu unterziehen, würde das ein paar von deinen Leben beanspru—
    chen. Denn ich habe viel darüber nachgedacht.

Weitere Kostenlose Bücher