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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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schießen mir durch den Kopf und nageln mich dort fest, wo ich stehe:
Reproduktionsstatus: schwebend.
    Eine Frau öffnet, die scheinbar direkt aus dem Bett kommt: Ihre Kleider sind zerknautscht und ausgebeult. Doch ihre Augen sehen aus, als ob sie seit Tagen nicht geschlafen hätte. Sie sind blutunterlaufen und tief eingesunken.
    Ich will etwas sagen, als ich ihren Geruch wahrnehme. Sie riecht wie unser Komposthaufen, wenn Mom ihn umgräbt. Ich reibe mir die Nase und halte die Luft an.
    »Mrs.Brady«, beginne ich. »Sie haben zwar gemeint, dass Nicoline Hausarrest hat, aber ich muss unbedingt mit ihr reden.« Die Frau starrt mich nur an. »Es ist sehr wichtig.«
    Sie verzieht das Gesicht und stößt einen kehligen Laut aus, der nicht menschlich klingt. Heiser schluchzt sie, aber es kommen keine Tränen.
    »Sie ist nicht hier, nicht wahr?«, frage ich. Sobald ich die Worte ausgesprochen habe, möchte ich sie zurücknehmen. Ich will es gar nicht wissen.
    Die Frau schüttelt den Kopf.
    »Wo ist sie denn?«, will ich wissen.
    Die Frau atmet ein paarmal tief ein und stammelt nach einer Pause: »Sie … haben sie … mitgenommen.«
    Ich muss nicht fragen, wen sie damit meint. »Es tut mir so leid.« Erinnerungen an den Abend, als sie mir meine Großmutter genommen haben, stürzen auf mich ein. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie sich fühlt.
    Sie schaut sich um. »Ich darf nichts sagen. Ich habe nichts gesagt, okay?«
    »Okay.«
    Jetzt erst bemerkt sie mein Namensschild von der Regierung.
    »Du!«, kreischt sie plötzlich. »Du bist schuld. Du und deine Freundin. Warum haben sie euch in Frieden gelassen?« Sie verpasst mir eine Ohrfeige, und der Schmerz und die Wucht lassen mich zwei Stufen hinuntertaumeln. Sie wirft die Tür zu, und ich presse mir die Hand auf die brennende Wange.
    Oh, Gott. Ich wünschte, ich könnte zur Unwissenheit zurückkehren.

[home]
    12 . Kapitel
    A ls ich am nächsten Tag zur Arbeit erscheine, ist Effies Platz leer. »Wo ist Effie?«, frage ich Dad.
    Er sieht genauso ratlos aus. »Ich bin sicher, sie wird jeden Moment kommen.« Damit geht er in sein Büro und lässt mich am Schreibtisch allein zurück.
    Weitere Angestellte trudeln ein. Niemand sieht auch nur in meine Richtung, Effie hat sie gut dressiert. Nachdem ich dreiunddreißig Minuten lang mit gefalteten Händen dagesessen und die roten Ziffern von Effies Digitaluhr angestarrt habe, beschließe ich, Pause zu machen. Während ich Tee koche, glaube ich, aus geflüsterten Gesprächen Effies Namen herauszuhören, aber ich bin nie nah genug, um etwas verstehen zu können. Sobald ich mich nähere, hören die Leute auf zu reden. Ich hoffe, Effie ist nicht krank. Ich habe es nicht ernst gemeint, als ich sagte, ich würde am liebsten ihren Kaffee vergiften. Normalerweise ist Effie schon hier, wenn Dad und ich eintreffen, und sie bleibt noch, wenn wir abends nach Hause fahren. Ich kann mir nicht vorstellen, was Effie ohne ihre Arbeit und was Dad ohne Effie tun würde.
    Nachdem eine weitere halbe Stunde verstrichen ist, klopfe ich bei Dad an. »Herein«, befiehlt er barsch. Ich drücke die Tür auf. Dad sitzt über seinen Schreibtisch gebeugt da. Der Laborkittel ist nicht zugeknöpft, und an einer Seite ragt der Kragen in die Höhe. Seine verbleibenden Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte er sie sich gerauft.
    »Dad. Effie ist noch immer nicht da«, sage ich und spähe verstohlen in Richtung Geheimtür. Wieder drängen sich so viele Fragen auf.
    »Ja, ich weiß.« Er lehnt sich zurück. »Sie kommt auch nicht mehr.«
    »Oh, geht’s ihr gut? Ich weiß ja, dass sie kürzlich krank gewesen ist, und …«
    »Effie ist gefeuert worden.«
    »Gefeuert?« Als ich mich an die Tür lehne, geht sie weiter auf, so dass ich in den Raum stolpere. Etwas derart Undenkbares habe ich noch nie in meinem ganzen Leben gehört. »Aber wieso?« Zu effizient. Zu viel Arbeitseifer. Zu tadellos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Effie auch nur eine Büroklammer mitgehen lassen würde.
    »Sie hat RegNet missbraucht«, antwortet er, und es klingt ungläubig.
    Mir wird flau, und mein Magen fühlt sich an, als wäre er angehoben und fallen gelassen worden.
Ich
habe gestern Effies Computer benutzt. Jetzt ist Effie verschwunden, und es kann nur meine Schuld sein. »Was … was meinst du damit?«
    »Sie hat vertrauliche Regierungsinformationen an eine Gruppe weitergeleitet, die des unpatriotischen Verhaltens verdächtigt wird.« Er teilt mir das mit, doch ich

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