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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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gelungen, den Weißwein genau richtig zu temperieren, aber nicht einmal ein diesbezügliches Lob konnte ihn dazu veranlassen, seine chronisch kummervolle Miene auch nur für einen Augenblick durch ein Lächeln erhellen zu lassen.
    Peabody wies Henrys Angebot, sein Glas mit Wein zu füllen, energisch ab und stellte sein Glas ostentativ umgekehrt neben seinen Teller. Dann wandte er sich an den Marshal, und ein Ausdruck trat auf sein Gesicht, der eine interessante Mischung aus Ehrfurcht und entsetzter Faszination darstellte: »Zufällig stammen wir – der Doktor und ich – beide aus Ohio, und selbst dort kennt jeder Ihren Namen. Und jetzt sitzen wir hier mit Ihnen zusammen – mit dem berühmtesten Gesetzeshüter des Westens! Das ist schon ein merkwürdiges Gefühl!«
    Pearce lächelte. »Sie meinen mit dem berüchtigtsten, Reverend.«
    »Nein, nein, das meine ich nicht!« protestierte Peabody hastig. »Als Diener Gottes bin ich zwar für den Frieden und gegen jegliche Form von Gewalt, aber ich halte Ihnen zugute, daß Sie die vielen Indianer in Ausübung Ihrer Pflicht töteten …«
    »Langsam, langsam, Reverend!« unterbrach ihn Pearce. »Erstens war das nur eine Handvoll Leute und die habe ich wirklich nur getötet, weil es nicht anders ging, und zweitens war kaum ein Indianer darunter. Die meisten waren Überläufer oder Verbrecher. Und außerdem ist das alles schon viele Jahre her. Heute bin ich wie Sie ein Mann des Friedens. Fragen Sie den Gouverneur – er wird es Ihnen bestätigen.«
    Peabody ließ nicht locker: »Warum tragen Sie dann zwei Revolver, Marshal?«
    »Wenn ich es nicht täte, wäre ich längst tot. Es gibt mindestens ein Dutzend Männer – hauptsächlich entlassene Sträflinge, die ich einmal hinter Gitter gebracht habe –, die mich liebend gern ins Jenseits befördern würden. Solange ich meine Waffen trage, bin ich sicher vor ihnen, denn ich habe als Schütze einen gewissen Ruf. Aber sobald einer von diesen Galgenvögeln mich ohne Revolver anträfe, wäre mein Leben keinen Cent mehr wert.« Pearce legte die Hände auf seine Waffen: »Die beiden sind meine Versicherungspolicen, Reverend.«
    Peabody bemühte sich redlich, seine Zweifel zu verbergen, konnte es sich jedoch nicht verkneifen zu fragen: »Sie sind ein Mann des Friedens?«
    »Jetzt? Jawohl! Früher war ich Scout bei der Armee, ein Feind der Indianer, wenn Sie so wollen. Von der Sorte gibt es immer noch viele. Aber mit der Zeit wird man das Töten leid.«
    »Man?« Und wieder scheiterten die Bemühungen des Geistlichen, ein Pokergesicht aufzusetzen – man sah ihm deutlich an, daß er immer noch nicht überzeugt war. »Sie auch?«
    »Es gibt noch andere Wege, die Indianer zu befrieden als sie mit Blei vollzustopfen. Ich habe den Gouverneur seinerzeit gebeten, mich zum Indianeragenten zu ernennen. Ich schlichte Streitigkeiten zwischen Indianern und Weißen, teile Reservate zu, versuche den Handel mit Waffen und Whisky zu unterbinden und sorge dafür, daß unerwünschte Weiße aus der Gegend verschwinden.« Er lächelte. »Letzteres ist ja sowieso ein Teil meines Jobs als Marshal. Die Arbeit ist so mühsam, aber allmählich mache ich Fortschritte. So habe ich zum Beispiel das Vertrauen der Pajutes schon so gut wie gewonnen. Ach, da fällt mir etwas ein!« Er blickte zu dem anderen Tisch hinüber. »Colonel!«
    Claremont hob fragend die Augenbrauen.
    »Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn wir jetzt die Vorhänge schließen ließen, Sir. Wir befinden uns bereits in feindlichem Territorium, und es muß ja nicht sein, daß wir unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
    »Jetzt schon?! Nun, Sie müssen es wissen. Henry! Haben Sie gehört? Wenn Sie hier die Vorhänge geschlossen haben, gehen Sie zu Sergeant Bellew und sagen Sie ihm, daß er seine auch zuziehen soll.«
    Peabody packte Pearce am Arm und fragte mit angstverzerrtem Gesicht: »Sagten Sie feindliches Territorium? Meinen Sie feindliche Indianer?«
    »Allerdings.«
    Pearces Gleichmut verstärkte Peabodys Angst noch: »Aber – Sie sagten doch, daß sie Ihnen vertrauen.«
    »Stimmt. Sie vertrauen mir.«
    »Ach so!« sagte Peabody mit leicht dümmlichem Gesichtsausdruck. Dann schluckte er ein paarmal krampfhaft und verfiel in Schweigen.
    Henry servierte Kaffee, und O'Brien erfüllte die alkoholischen Wünsche der Reisenden. Alle Fenster waren geschlossen, der Ofen glühte dunkelrot, und die Temperatur im Abteil war auf achtundzwanzig Grad gestiegen, aber das schien

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