Nevada Pass
nur schwach leuchtenden Petroleumlampen vom Haken und ging damit in den Tender, der immer noch zu zwei Dritteln mit Holzscheiten gefüllt war. Er stellte die Lampe auf den Boden und begann fieberhaft das Holz von der rechten Seite auf die linke zu stapeln.
Fünfzehn Minuten später war er buchstäblich in Schweiß gebadet, und das obwohl die Temperatur in dem völlig ungeschützten Tender nahe dem Gefrierpunkt lag. Aber er hatte in dieser kurzen Zeit auch immerhin mehr als die Hälfte der Scheite umgeschichtet. Er richtete sich erschöpft auf, rieb sich den schmerzenden Rücken, drehte sich um, ging ins Führerhaus zurück und prüfte den Druckmesser: Der Zeiger war inzwischen unter die blaue Markierung gefallen. Deakin öffnete hastig die Feuerklappe, stocherte in der Glut herum, warf noch ein paar Scheite in das Feuerloch, schloß die Klappe und kehrte zu seiner zermürbenden Tätigkeit im Tender zurück, ohne den Druckmesser auch nur noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
Er hatte noch keine zwanzig Kloben umgeschichtet, als er seine Arbeit unterbrach und die Petroleumlampe hochhielt, um den verbliebenen Stapel besser sehen zu können. Gleich darauf stellte er die Lampe wieder neben sich auf den Boden und räumte noch etwa ein Dutzend Scheite weg, ehe er erneut nach der Lampe griff. Langsam ließ er sich auf die Knie nieder, und sein normalerweise ausdrucksloses Gesicht verzerrte sich vor Zorn.
Die beiden nebeneinander liegenden Männer waren unverkennbar tot und steif gefroren. Deakin hatte das Holz von den Oberkörpern und Gesichtern entfernt. Beide Männer hatten klaffende Kopfwunden, beide trugen Uniformen von Offizieren der US-Kavallerie – der eine die eines Captain, und der andere die eines Lieutenant. Ohne Zweifel handelte es sich um Oakland und Newell, die Offiziere, die Claremont vermißte.
Als Deakin sich aufrichtete, war sein Gesicht wieder so ausdruckslos wie eh und je – Gefühlsäußerungen waren für ihn ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Eilig machte er sich daran, den Holzstapel wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Da er dabei äußerst sorgfältig vorgehen mußte, inzwischen aber vor Müdigkeit kaum noch die Augen offenhalten konnte, brauchte er dazu fast doppelt so lange wie zum Abräumen.
Als er fertig war, prüfte er den Druckmesser und stellte fest, daß der Zeiger weit unter die blaue Linie gesunken war. Deakin öffnete die Feuertür und warf so viele Scheite in die Öffnung, wie die Feuerbüchse faßte. Dann knallte er die Klappe zu, schlug seinen Kragen hoch, zog den Hut tief in die Stirn und trat aus dem Führerhaus in den eisigen Schneesturm hinaus.
Ohne sich darum zu kümmern, ob man ihn sah – die Sicht war inzwischen sowieso fast gleich Null – ging er am Schienenstrang entlang zurück bis zum Ende des zweiten Waggons, in dem sich die Kombüse und die Schlafquartiere der Offiziere befanden. Dort blieb er abrupt stehen und hob den Kopf. Ganz deutlich hörte er ein seltsames Gluckern. Vorsichtig spähte er um die Ecke:
Auf dem Geländer der vorderen Plattform des dritten Waggons, der die Vorräte enthielt, saß ein Mann und war damit beschäftigt, in Windeseile eine Flasche zu leeren. Da der Wind den Schnee jetzt fast horizontal und parallel zum Zug vor sich her trieb, hatte der Mann lediglich unter der beißenden Kälte zu leiden. Es war Henry, der Steward.
Deakin seufzte unhörbar erleichtert auf, ging dicht am Zug entlang, ein paar Schritte zurück, löste sich aus dem Schutz des Waggons und näherte sich in einem Halbkreis vorsichtig dem Ende des Versorgungswaggons. Auf Händen und Knien kroch er langsam vorwärts und blickte nach oben: Auf der hinteren Plattform war ebenfalls ein Posten: Carlos' schwarzes Mondgesicht war nicht zu verwechseln, auch wenn es jetzt begreiflicherweise nicht zu einem breiten Lächeln verzogen war.
Deakin schlich – wiederum in einem weiten Halbkreis – zum Ende des ersten Pferdewaggons, stieg auf die Plattform, stahl sich unbemerkt ins Innere und zog die Tür hinter sich zu. Als er durch den Waggon nach vorne ging, wieherte eines der Pferde nervös. Deakin trat zu ihm, strich ihm über den Hals und flüsterte ihm besänftigende Worte ins Ohr; das Pferd beschnupperte sein Gesicht und beruhigte sich. Selbst wenn Carlos das Geräusch gehört hätte, hätte er wohl kaum Verdacht geschöpft, denn ein Wiehern war in einem Pferdewaggon schließlich nichts Ungewöhnliches.
Als Deakin am vorderen Ende des
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