Nevada Pass
seinen Griff und kramte die beiden Schwellennägel aus seiner Tasche; verglichen mit dem Kupplungsgestänge waren sie fast warm. Langsam und vorsichtig schob er die Nägel in die Kupplungsgelenke und drehte. Die zusätzliche Hebelwirkung half: leise quietschend gab das Gewinde nach. Deakin hielt den Atem an und blickte nach oben. Carlos richtete sich auf, blickte sich mürrisch um und kauerte sich schließlich wieder mit seiner Whiskyflasche in den Windschatten.
Sofort wandte Deakin seine Aufmerksamkeit wieder der Kupplung zu. Abwechselnd nahm er die Ölflasche und die Schwellennägel zu Hilfe, und bald hatte er das Gewinde bis auf zwei oder drei Umdrehungen aufgeschraubt. Er zog die Nägel heraus und beendete seine Arbeit mit den Händen. Die beiden Teile der Kupplung lösten sich voneinander, und er ließ sie langsam und vorsichtig herunter, bis sie senkrecht am Ende ihrer Ketten hingen.
Dann hob er den Kopf: Carlos hatte sich nicht bewegt. Auf Ellbogen und Knien schob sich Deakin den Weg zurück, den er gekommen war, kroch unter dem Zug hervor und kehrt in einem weiten Bogen zum Führerhaus der Lokomotive zurück. Der Zeiger des Druckmessers stand auf der blauen Linie. Nachdem er die Feuerbüchse wieder gefüllt hatte – eine Arbeit, die Deakin zunehmend lästig fand – stand der Zeiger bald wieder auf Rot. Deakin sank erschöpft auf einen Klappsitz in der Ecke und schloß die Augen.
Es ließ sich unmöglich sagen, ob er schlief oder nicht, aber wenn ja, dann mußte er in seinem Gehirn eine Art Zeitschaltuhr haben, denn er stand in regelmäßigen Abständen auf, warf ein paar Holzscheite in die Feuerbüchse und kehrte wieder auf seinen Platz zurück. Als Banlon und Rafferty mit O'Brien ins Führerhaus kamen, fanden sie ihn zusammengesunken auf dem Klappsitz, den Kopf gesenkt und das Kinn auf der Brust. Er schien zu schlafen. Plötzlich fuhr er hoch.
»Etwas anderes hatte ich nicht erwartet«, sagte O'Brien verächtlich. »Bei der Arbeit eingeschlafen!«
Deakin schwieg und zeigte mit dem Daumen in Richtung auf den Druckmesser. Banlon trat näher und überprüfte ihn.
»Lange kann er aber nicht geschlafen haben, Major. Der Druck ist genau richtig.« Er drehte sich um und warf einen Blick auf den Tender: die Holzscheite waren säuberlich aufgestapelt und nichts ließ erkennen, daß sie umgeschichtet worden waren. »Und Brennmaterial hat er auch nicht mehr verbraucht als normal. Ganz gute Arbeit, würde ich sagen. Aber er kennt sich ja auch mit Feuer aus. Wenn man an Lake's Crossing denkt –«
»Schon gut, Banlon.« O'Brien wandte sich um. »Kommen Sie mit, Deakin.«
Deakin erhob sich steifbeinig und blickte auf seine Uhr, »Mitternacht! Dann war ich sieben Stunden hier anstatt vier!«
»Banlon brauchte den Schlaf. Was wollen Sie, Deakin? Etwa Mitleid?«
»Nein, etwas zu essen!«
»Carlos hat das Abendessen fertig.« Deakin fragte sich, wann er das wohl gemacht hatte. »Gehen Sie in die Küche. Wir haben schon gegessen.«
»Das kann ich mir denken.«
O'Brien und Deakin kletterten aus dem Führerhaus und gingen an den Schienen entlang zum vorderen Ende des ersten Waggons. Auf der Plattform angekommen, beugte sich O'Brien über das Geländer und winkte. Banlon winkte zurück und verschwand im Innern des Führerhauses. O'Brien öffnete die Tür zum Tagesabteil der Offiziere.
»Kommen Sie schon.«
Deakin rieb sich die Stirn. »Gleich. Wenn der Zug steht, kommt keine Frischluft in das Führerhaus, und dementsprechend fühle ich mich auch.«
O'Brien betrachtete ihn nachdenklich, doch dann kam er offenbar zu dem Schluß, daß Deakin dort, wo er stand, nichts anrichten konnte, denn er nickte, trat ins Innere des Waggons und schloß die Tür hinter sich.
Banlon öffnete die Ventile. Die Räder drehten auf den vereisten Schienen durch, die Lokomotive schnaufte und dicke Rauchwolken quollen aus dem Schornstein. Dann ließ das Schnaufen nach, die Räder griffen, und der Zug setzte sich in Bewegung. Deakin hielt sich am Geländer fest, beugte sich weit nach außen und blickte zurück. Es war schwierig, etwas zu erkennen – es konnte ebensogut Einbildung sein, aber er hatte den Eindruck, daß zwischen dem Versorgungswaggon und dem ersten Pferdewaggon eine Lücke entstand. Gleich darauf fuhr der Zug durch eine Kurve, und Deakin sah, daß es keine Einbildung gewesen war: Die beiden Pferdewaggons waren in nunmehr zwei- bis dreihundert Meter Entfernung auf dem Gleis stehengeblieben, und kurz darauf hatte die
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