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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Rütteln und Schaukeln des Waggons machte das gefährliche Unternehmen nicht gerade einfacher.
    Der Zug fuhr eine schmale, tiefe Schlucht entlang und vorbei an schneebeladenen Kiefern, die dicht neben den Schienen wuchsen. Die herabhängenden Äste streiften fast die Waggondächer. Zweimal blickte er gerade noch rechtzeitig über die Schulter, um zu sehen, wie der Zug unter tiefhängenden schweren Ästen hindurchfuhr, und er mußte sich flach auf den Bauch legen, um nicht vom Dach gefegt zu werden.
    Schließlich erreichte er das Ende des zweiten Waggons, schob sich millimeterweise über den Rand des Daches und blickte hinunter: Carlos ging – bis über die Ohren vermummt – unermüdlich auf der Plattform auf und ab. Deakin machte kehrt und kroch wieder ein Stück zurück. Dann stand er auf und ging ein paar Schritte, wobei es ihm größte Schwierigkeiten machte, das Gleichgewicht zu halten.
    Ein mächtiger Kiefernast kam auf ihn zu. Deakin zögerte keine Sekunde. Er wußte, wenn er es jetzt nicht tat, war es fraglich, ob er je wieder den Mut dazu haben würde. Er machte ein paar schnelle Schritte rückwärts, um den Zusammenprall mit dem Ast zu mildern und streckte die Arme hoch.
    Er packte den Ast mit beiden Händen und stellte erschrocken fest, daß er keineswegs so stark war, wie er ausgesehen hatte – die dicke Schneeschichte hatte einen falschen Eindruck erweckt. Der Zweig bog sich. Verzweifelt riß Deakin die Beine hoch, aber noch immer hing er nur zwanzig Zentimeter über dem Dach. Er blickte nach unten, und im gleichen Augenblick fegte er über Carlos hinweg.
    Deakin streckte die Beine aus, und seine Absätze gruben tiefe Rillen in den gefrorenen Schnee. Dann gab er den Zweig frei, obwohl ihm durchaus bewußt war, daß er Gefahr lief, von einem der Entlüfter zerfetzt zu werden.
    Er wurde nicht zerfetzt, aber er war in diesem Augenblick nicht in der Verfassung, sein Glück voll zu würdigen, denn er hatte zwar auf seinen Kopf aufgepaßt, aber der Aufprall seines Rückens auf dem Dach war immer noch schmerzhaft genug. Und doch war es gerade das vereiste Dach, das ihm das Leben rettete. Wäre er auf einem schnee- und eisfreien Dach gelandet, wäre ihm die ungeheure Bremswirkung mit Sicherheit zum Verhängnis geworden. Aber auch unter den gegebenen Umständen sah es nicht besonders rosig für ihn aus, denn er schlitterte mit so großer Geschwindigkeit über das Dach, daß er mit größer Wahrscheinlichkeit über das Ende hinausschießen und auf den Schienen landen würde.
    Aber diesmal waren paradoxerweise die potentiell tödlichen Entlüfter seine Rettung. Instinktiv griff er nach dem ersten Entlüfter, der in seine Reichweite kam. Er hatte das Gefühl, daß seine rechte Schulter ausgerenkt und sein Arm ausgerissen wurde, und seine Hand öffnete sich. Aber sein Tempo hatte sich merklich verlangsamt. Er griff nach dem nächsten Entlüfter und der schmerzhafte Prozeß wiederholte sich – aber es lohnte sich: sein Tempo verringerte sich wiederum erheblich. Er rutschte auf den dritten und letzten Entlüfter zu und schlang seinen rechten Arm um ihn, aber diesmal blieb ihm Zeit, seine linke Hand zu Hilfe zu nehmen und mit ihr sein rechtes Handgelenk zu umklammern. Auch diesmal war der Schmerz kaum zu ertragen. Aber Deakin ließ nicht los. Sein Körper wurde in einem Dreiviertelkreis herumgerissen, bis seine Beine bis zu den Knien seitlich über das Dach hinausragten. Aber er hielt sich fest. Er wußte, daß er etwas tun mußte, denn sehr viel länger würde er sich nicht halten können. Langsam und unter großen Schmerzen zog er sich wieder zur Mitte des Daches hinauf, kroch bis zum Ende und ließ sich auf die hintere Plattform fallen.
    Völlig erschöpft kauerte er ganze fünf Minuten lang zusammengekrümmt und nach Luft schnappend auf dem Boden und fühlte sich, als sei er die Niagarafälle in einem Faß hinuntergefahren. Er rechnete seine vermutlichen Verletzungen zusammen: Eine Reihe gebrochener Rippen vorn, wo der Zweig gegen seine Brust geprallt war, eine nicht minder beträchtliche Zahl von Rippenbrüchen im Rücken, wo er auf das Waggondach aufgeschlagen war und eine gebrochene und verrenkte Schulter. Aber nach einer ebenso vorsichtigen wie eingehenden Untersuchung stellte er fest, daß er sich in Wirklichkeit keinen einzigen Knochen gebrochen hatte. Und die Schürfwunden stellten keine ernsthafte Behinderung dar – sie würden zwar noch eine Weile schmerzen, aber sie machten ihn nicht

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