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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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gehindert zu erkennen, weshalb Deakin aufgestanden war. Und als es ihm endlich klar wurde, war es zu spät. Deakin packte Carlos am Mantel und warf sich nach hinten. Carlos war völlig überrascht und verlor auf dem vereisten Dach augenblicklich den Halt. Während sie fielen, zog Deakin die Beine an, bis die Knie fast sein Kinn berührten und stieß beide Füße in Carlos' Zwerchfell. Der schnelle Sturz und das unmittelbar anschließende Emporgeschleudertwerden durch Deakins Tritt lösten Carlos' Würgegriff, und hilflos um sich schlagend, stürzte er vom Waggondach in die Tiefe.
    Deakin fand Halt an einem der Entlüfter und starrte in den Abgrund. Aber alles, was noch an Carlos erinnerte, war ein langsam verhallender Schrei.
    Deakin war nicht der einzige, der in hörte. Henry, der gerade einen Kaffee kochte, blickte überrascht auf. Er lauschte einige Sekunden lang angestrengt, aber als alles still blieb, zuckte er die Achseln und wandte sich wieder der Kaffeekanne zu.
    Deakin klammerte sich noch eine Zeitlang mit einer Hand an den Entlüfter und massierte mit der anderen seinen mißhandelten Hals. Dann schob er sich vorsichtig ans Ende des Daches und ließ sich auf die hintere Plattform hinab. Er trat ins Innere des Versorgungswaggons, zündete wieder eine Petroleumlampe an und setzte seine Nachforschungen fort. Er öffnete zwei weitere Kisten, die angeblich medizinischen Bedarf enthielten, in Wirklichkeit aber ebenfalls bis an den Rand mit Winchestermunition gefüllt waren. An der fünften Kiste wollte er schon vorbeigehen, als ihm auffiel, daß sie etwas länger war als die anderen. Sofort setzte er den Meißel an. Die Kiste war vollgestopft mit grauen Guttapercha-Säcken, wie sie für den Transport von Schießpulver verwendet wurden.
    Deakin beschloß, noch eine weitere Kiste zu öffnen, obwohl sie sich in keiner Hinsicht von den anderen unterschied. Sie enthielt Zylinder von etwa fünfzehn Zentimeter Länge, die in graues Ölpapier gewickelt waren. Deakin steckte zwei davon in die Tasche, machte die Petroleumlampe aus, ging nach vorn und nahm seine Felljacke von der runden Sichtluke. Als er sie gerade überziehen wollte, sah er durch die Luke, wie sich die hintere Tür des zweiten Waggons öffnete und Henry erschien. Er trug eine Kaffeekanne, zwei Becher und eine Laterne. Er schloß die Türe hinter sich und blickte sich leicht erstaunt um. Offensichtlich war es nicht Carlos' Art gewesen, seinen Posten zu verlassen.
    Deakin verlor keine Zeit. Er eilte zur hinteren Plattform des Versorgungswaggons und schaute durch eine der Sichtluken ins Innere:
    Henry öffnete mit hocherhobener Laterne die Tür und betrat vorsichtig den Versorgungswaggon. Er blickte nach links und blieb mit völlig fassungslosem Gesicht stehen, was unter den gegebenen Umständen durchaus verständlich war – schließlich war er nicht darauf gefaßt gewesen, die Holzkisten offen vorzufinden. Wie ein Schlafwandler stellte Henry langsam die Kaffeekanne und die Becher ab und ging vorsichtig weiter zum hinteren Teil des Waggons, wo er mit aufgerissenen Augen und weit geöffnetem Mund die drei offenen Särge anstarrte, von denen zwei Winchester-Gewehre und der dritte die sterblichen Überreste des Reverend Peabody enthielten. Dann erwachte er ganz allmählich aus seinem tranceähnlichen Zustand, sah sich hastig um, um sich zu überzeugen, daß er sich nicht in der Gesellschaft des geistesgestörten Vandalen befand, der für all dies verantwortlich war, zögerte, machte Anstalten, den Waggon zu verlassen, überlegte es sich jedoch plötzlich anders und ging auf das Ende des Wagens zu. Und Deakin sah sich wieder einmal gezwungen, auf das Dach zu klettern.
    Henry trat auf die hintere Plattform hinaus. Mehrere Sekunden vergingen, ehe er begriff, was er sah. Er stand da wie versteinert. Plötzlich kehrten seine Lebensgeister zurück. Er drehte sich um und verschwand wieder im Innern des Waggons. Deakin sprang auf die Plattform hinunter und folgte ihm langsam.
    Henry rannte wie von Furien gehetzt und ohne einmal anzuhalten, bis ins Tagesabteil der Offiziere, wo Deakin offiziell die Nacht verbrachte. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen: Deakin war verschwunden. Henry nahm sich keine Zeit für irgendwelche Gefühlsäußerungen, sondern machte sofort kehrt und rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Als er vom ersten in den zweiten Waggon wechselte, hatte er viel zu viele Dinge gleichzeitig im Kopf, als daß er nach oben geblickt hätte, aber

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