Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
sie sei schwanger, doch dann waren ihre Monat s blutungen eingetreten, was furchtbar lästig war, während sie über Land reisten, aber wahrscheinlich auch nicht schlimmer, als allmorgendliche Übelkeitsattacken es g e wesen wären. Ich errötete ob ihrer Direktheit, und machte mir klar, dass sie genauso schrieb, wie sie redete. Am Schluss ihres langen, eng beschriebenen Briefes stand ein mit zittriger Hand geschriebener Gruß von Spink, z u sammen mit der Beteuerung, dass er so glücklich sei, wie ein Mann es nur sein könne. Ich faltete die Blätter z u sammen und steckte sie zurück in den Umschlag. So. Sie waren also glücklich. Mit einem Seufzer atmete ich aus – ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich kam zu dem Schluss, dass sie sich zusammen ein schönes, glückliches Leben aufbauen würden, und bei diesem Gedanken wurde mir leichter ums Herz.
Als Nächstes nahm ich mir den Brief meines Vaters vor. Er schrieb, dass meine Mutter sich über Epinys Bri e fe gefreut habe, aber dass er darauf warte, von mir pe r sönlich zu hören. Er sei froh zu erfahren, dass ich von der Krankheit genesen sei. Er habe ein Schreiben von Doktor Amicas erhalten, das gewisse Vorbehalte hinsichtlich meiner Gesundheit und meines weiteren Verweilens an der Akademie zum Ausdruck bringe. Der Doktor habe vorgeschlagen, dass ich einen einjährigen Urlaub von der Akademie nähme, nach Hause zurückkehrte und nach dieser einjährigen Pause meine Akademiekarriere neu überdächte. Über diesen Satz ärgerte ich mich. Mir g e genüber hatte der Arzt nichts dergleichen geäußert. Mein Vater schrieb, er habe den Doktor bereits darüber unte r richtet, dass er mich sehen werde, wenn ich im späten Frühling zur Hochzeit meines Bruders nach Hause käme, und dass er dann selbst für sich entscheiden werde, ob meine Gesundheit einen bleibenden Schaden erlitten h a be. Bis dahin werde er darauf vertrauen, dass ich weite r hin vernünftig und gesund leben, hart für mein Studium arbeiten und im Übrigen dem gütigen Gott vertrauen würde. Ich kam zu dem Schluss, dass er sich wahrschei n lich auf ein älteres Schreiben des Doktors bezog, eines, das dieser abgeschickt hatte, bevor meine Genesung ihre so erfreuliche Entwicklung genommen hatte. Ich legte den Brief meines Vaters beiseite und seufzte erleichtert. Abg e sehen davon, dass er diese Sache mit dem Doktor erwäh n te, klang es so, als stehe alles zum Besten mit ihm.
Der Brief von Carsinas Vater war in gestochener Schrift und mit schwarzer Tinte geschrieben. Er wünsc h te mir alles Gute für meine weitere Genesung. Er schrieb, dass der Anblick des Todes, ganz gleich in welcher Form, einen Menschen durchaus dazu bewegen könne, seine Lebensziele neu zu überdenken, und dass dies of t mals auch gut sei. Auch würde diese Begegnung mit dem Tode einen Menschen kühn machen. Tollkühn gar in vi e len Fällen. Er erinnerte mich daran, dass ich mir das Recht, Carsina meine Verlobte zu nennen, erst noch ve r dienen müsse, aber er sei zuversichtlich, dass ich dies tun würde, und er erwarte, dass a lle Korrespondenz, die ich ihr sandte, genauso ehrlich und ehrenhaft bleiben würde, wie mein erster Brief es gewesen sei. Meine Eltern seien wohlauf gewesen, als er sie das letzte Mal gesehen habe. Seine Frau Gemahlin übersende mir ebenfalls ihre besten Wünsche.
Ein Schweißtropfen rann mir den Rücken herunter. Ich wischte mir die schwitzenden Hände an meinem Hemd ab und erbrach Carsinas Brief.
Lieber Kadett Nevare Burvelle,
m it großer Freude empfange ich Deinen Brief. Es ist gut zu hören, dass Du auf dem Wege der Genesung bist. Die Nachrichten, die uns aus Alt-Thares erreichten, waren sehr beängstigend.
Du fragtest mich, ob ich Dich, wäre ich von allen e l terlichen Zwängen entbunden, immer noch zu meinem Ehegemahl erwählen würde. Ich muss Dich daran eri n nern, dass wir einander noch nicht förmlich versprochen sind. Doch wenn der gütige Gott uns seinen Segen gibt und Du auch weiterhin mit Eifer und Mut strebst, bin ich sicher, dass wir es bald sein werden. Und dann wird die Antwort lauten: Ja, ich würde Dich zu meinem Ehema n ne erwählen. Ich vertraue auf das Urteil meiner Eltern, dass sie mir stets in allen Dingen den richtigen Weg we i sen, und ich bin sicher, dass Du auch auf das Urteil De i ner Eltern vertraust.
Mit tiefer Zuneigung u nd im Lichte des gütigen Gottes,
Miss Carsina Grenalter
Jedes Wort war korrekt geschrieben.
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