Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
Radley – Barbara – hatte auch bei Z-Biotech gearbeitet, sie war eine gute Freundin meiner Mom gewesen. Ihre Tochter Miranda war nur ein Jahr jünger als ich gewesen, ein rundliches, stilles Mädchen, das gern Bücher über Werwölfe und gefallene Engel gelesen hatte. Ihr Bruder Alex war zwei Jahre älter als ich. Sein schwarzer Pony war ihm immer über die grünen Augen gefallen und hat diese dadurch irgendwie eher betont, anstatt sie zu verbergen.
Vor einem Monat waren die Radleys – die Eltern, Miranda, Alex und sogar ihr Labradoodle – bei einem Brand bei ihnen zu Hause ums Leben gekommen. Ein Haufen Lappen, mit dem sie Möbel behandelt hatten, hatte auf der Veranda Feuer gefangen. Eine ungewöhnlich warme Nacht, Farbdämpfe, Selbstentzündung … Es war ein tragischer Unfall gewesen.
Es war doch ein Unfall, oder?
Wir waren alle bei der Beerdigung gewesen, sogar Max. Die Augen meiner Mom waren damals ganz geschwollen vor lauter Weinen. Sie hatte sich so lange die Wangen an Max’ Haar abgewischt, bis er sich von ihr abwandte. Dann hatte sie sich die Faust vor den Mund gepresst, als wollte sie ihn damit verschließen. Mein Vater hatte alles stoisch über sich ergehen lassen, in seinem Kiefer hatte ein Muskel gezuckt.
»Barbara hatte ihre Zweifel«, sagte Mom gerade und riss mich aus meinen Gedanken. »Sie hat den Fehler gemacht, sich einem der Vorgesetzten anzuvertrauen. Durch das Feuer wurden drei Dinge erreicht: Es hat dafür gesorgt, dass sie es nie jemand anderem erzählt hat, es hat alle Beweise vernichtet, die sie vielleicht gesammelt hatte, und es war eine Botschaft an alle bei Z-Biotech, die ein wenig zu neugierig geworden waren.«
Meine Knochen verwandelten sich in Wasser. »Dann kündigt. Kündigt einfach eure Jobs. Ihr findet bestimmt eine andere Arbeit.«
Mein Dad stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »So einfach ist das nicht. Vor sechs Monaten ist Derek Chambers bei einem Tauchunfall auf Hawaii gestorben, ihm war einfach die Luft ausgegangen. Alle hielten es für einen außergewöhnlichen Unfall. Aber er hatte zuvor davon gesprochen, die Firma zu verlassen.«
Ich zitterte – zitterte so sehr, als hätte ich eine Kühlkammer betreten. »Dann sagt nichts. Tut nichts.«
»Das können wir nicht, Cady.« Die Stimme meiner Mutter klang sanft und geduldig. »Wir haben daran gedacht, aber es geht einfach nicht. Wir müssen tun, was richtig ist. Nicht nur für uns, sondern auch für euch. Was sie vorhaben, könnte Tausende von unschuldigen Menschen das Leben kosten. Sobald wir genug Informationen haben, um es zu beweisen, werden wir etwas unternehmen, um sie aufzuhalten. Doch bis dahin muss alles normal wirken. Du darfst niemandem davon etwas sagen.«
»Warum erzählt ihr mir es dann jetzt?« Zorn loderte in mir auf und seltsamerweise war mir das sehr willkommen. »Ich kann nichts dagegen tun, ich darf es niemandem erzählen und vielleicht werde ich auch noch umgebracht. Ehrlich gesagt hätte ich es lieber nicht gewusst.«
»Wir erzählen es dir, damit du die Chance hast, dich in Sicherheit zu bringen, falls etwas schiefgeht«, sagte mein Dad. »Falls je irgendjemand dich bittet, mit ihm mitzukommen, dann geh nicht mit, egal, was derjenige sagt. Fliehe, koste es, was es wolle. Geh zur Polizei. Wenn wir vermisst werden, werden sie dir zuhören. Und wenn du bei den Cops bist, verlieren die Leute, die hinter dir her sind, vielleicht den Mut.«
Meine Mom fügte hinzu: »Und wenn du jemals nach Hause kommst und es sieht so aus, als hätte jemand unsere Sachen durchsucht, dann drehst du dich einfach um und gehst sofort weg.«
Meine Stimme klang eingeschüchtert. »Ich habe Angst.«
»Es ist nicht für lang«, sagte mein Dad. »Vielleicht nur ein paar Monate. Wir sind ganz vorsichtig und verwischen unsere Spuren. Und wenn wir erst mal genug Beweise haben und wissen, an wen wir uns damit wenden sollen, dann werden wir handeln.«
»Bis dahin habe ich uns drei zum Einzelunterricht in der Multnomah Academy für Kampfsport angemeldet.« Das Gesicht meiner Mom wirkte entschlossen. »Wir lassen eine Alarmanlage installieren und dein Dad will sich eine Waffe kaufen.«
Eine Waffe! Jetzt wusste ich, wie ernst die Lage war. Meine Eltern hassten Waffen.
»Sollten wir je getrennt werden, finden wir eine Möglichkeit, wieder Kontakt aufzunehmen.« Mom kam näher und strich mir über das Haar. »Aber mach dir keine Sorgen. Das werden wir nicht zulassen.«
Diese Erinnerung ist furchtbar.
Aber die, die
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