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Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Titel: Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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danach kommt, ist noch schlimmer. Denn ich weiß, warum ich mein Gedächtnis verloren habe. Es ist mir wieder eingefallen.
    Warum sich mein Gehirn abgeschaltet hat?
    Weil der Mensch, den ich am allermeisten liebe, tot ist.

34
TAG 1, 8:12 UHR
    G estern Morgen war ich gerade aus dem Bus vor der Wilson High gestiegen, als ich in meine Tasche griff, um mein Handy herauszuholen, und nur meinen Hausschlüssel fand. Mist! Mein Handy hing noch am Ladegerät auf meinem Schreibtisch. Ich zögerte. Sollte ich zurückgehen, um es zu holen, und die erste Stunde verpassen? Oder bleiben und den ganzen Tag kein Handy haben?
    Ich hatte jetzt Französisch. Madame Aimée überprüfte selten die Anwesenheit, deshalb standen die Chancen gut, dass nicht auffallen würde, wenn ich nicht erschien. Und meine Mom war in der letzten Zeit so ängstlich. Sie wollte dauernd wissen, wo ich war. Sie würde ausflippen, wenn sie auf den Tracker meines Handys schaute und sähe, dass ich zwar noch zu Hause wäre, aber nicht ans Telefon ginge. Ich überquerte die Straße und wartete auf den nächsten Bus, mit dem ich zurückfahren konnte.
    Als ich eine halbe Stunde später den Schlüssel ins Schloss steckte, war ich nicht ganz bei der Sache. Obwohl mich meine Eltern gewarnt hatten, bemerkte ich überhaupt nicht, dass etwas nicht in Ordnung war. In Gedanken war ich bereits wieder in der Schule und fragte mich gerade, ob es sich lohnte, für zehn Minuten noch in Französisch zu gehen. Ich machte zwei Schritte ins Haus. Gerade als ich registrierte, dass die Alarmanlage nicht anging, und darauf eingestellt war, zur Schalttafel zu laufen, um sie zum Schweigen zu bringen, wurde etwas Nasses, süßlich Riechendes auf mein Gesicht gedrückt. Ich atmete ein und meine Welt versank in Dunkelheit.
    Als ich zu mir kam, war immer noch alles dunkel. Allerdings dunkelgrün. Mein Kopf war mit Stoff bedeckt, der um meine Schultern spannte.
    Ich erkannte, dass ich an einen unserer Esszimmerstühle gefesselt war. Ich hatte Angst, mich zu bewegen. Es erschien mir wichtig, dass wer immer das mit mir gemacht hatte, nicht wusste, dass ich wach war. Ich hörte, wie hinter mir Leute suchten und zerstörten – Dinge zertrümmerten, zerbrachen, aufrissen, zersplitterten, aufschnitten – und dem Fluchen nach zu urteilen nichts fanden. Männerstimmen. Zwei, schätzte ich, vielleicht auch drei.
    Meine Gedanken überschlugen sich, während ich überlegte, wie ich fliehen konnte. Meine Eltern hatten für uns private Selbstverteidigungskurse bei einem Ex-Marine gebucht. Kevin hatte mir beigebracht, wie ich mich gegen so gut wie alles verteidigen konnte, sogar gegen einen Mann mit einer Waffe. Doch nicht einmal sein Unterricht umfasste, was zu tun wäre, wenn man mit auf dem Rücken gefesselten Händen, an einen Stuhl gebundenen Fußknöcheln und einem Kissenbezug über dem Kopf zu sich kam.
    Ein Tuch war in meinen offenen Mund gesteckt worden und lag nun auf meiner Zunge, aber ich muss wohl einen kleinen Laut von mir gegeben haben, denn von hinten näherten sich Schritte. Plötzlich schlug mir jemand mit den offenen Handflächen auf die Ohren. Für einen Augenblick hallte in meinem Kopf der Ton einer Basstrommel wider – hohl und dröhnend.
    Der Knebel dämpfte meinen Schrei.
    Das Flüstern eines Mannes drang an mein Ohr. »Wo sind deine Eltern, Cady?«
    Ich schüttelte den Kopf, der Stoff des Kissenbezugs scheuerte über meine Wangen. Ich wusste es wirklich nicht, doch selbst wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es ihm nicht gesagt. Mir fielen die Radleys wieder ein – Alex und Miranda und ihre Eltern.
    »Nicht schreien«, warnte er mich, »sonst erschieße ich dich.« Einen Moment lang hielt er etwas Kaltes, Hartes zwischen meine Augen. Dann schlängelte er seine Hand unter den Kissenbezug und zog mir langsam den Knebel aus dem Mund, wie ein Magier, der einen Schal irgendwo herauszaubert. An der Unterseite des Kissenbezugs fiel genug Licht ein, dass ich sehen konnte, dass es sich um das gelbe Geschirrtuch handelte, das heute Morgen noch an der Kühlschranktür gehangen hatte. Mein Mund war trocken, meine Zunge ein Stück Leder.
    »Wo sind deine Eltern?«, wiederholte er. Er klang ganz vernünftig.
    »Ich weiß nicht. Bei der Arbeit?« Ich versuchte abzuschätzen, wie nah er war. Wenn ich ihm den richtigen Kopfstoß verpassen würde, könnte ich ihn möglicherweise k.o. schlagen und selbst bei Bewusstsein bleiben. Doch was würde mir das nützen? Ich konnte immer noch hören,

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